Der 2. Teil unserer Recherchetour durch Wien wollen wir Ihnen auch jetzt vorstellen – als Vorgeschmack für einen Besuch! Denn unsere Wiener Lieblingsorte sind eng mit der Gastronomie in Wien verknüpft: ob Schanigarten oder Kaffeehaus, ein Heuriger in Grinzing oder Wiener Lieblingsorte zum Feiern wie der Naschmarkt.
Wenn die Sonne scheint, spielt sich in Wien viel draußen ab: Tagsüber locken die Schanigärten, die sich immer auf öffentlichem Grund befinden. Sie liegen in unmittelbarer Nähe zum Lokal, etwa auf einem Platz, in der Fußgängerzone oder auch auf breiten Gehsteigen. Rund 1.800 Schanigärten öffnen in Wien bei schönem Wetter zwischen 1. März und 15. November.
Den ersten eröffnete Johann Jakob Taroni 1754 auf dem Graben in der Innenstadt als Limonadenzelt. Schani ist die Wienerische Verkürzung von Johann. Andere leiten das Wort von der Aufforderung an den Piccolokellner ab, der früher oft Jean (Schani) gerufen wurde: „Schani, trag’ den Garten hinaus”.
Die mobilen Gaststätten bekommen Blumenkästen als Zaun. Sonnenschirme sind schnell aufgestellt. In den urbanen Oasen lockt das Sehen und Gesehen-Werden: Wer vorbeigeht, wünscht sich eine Pause, wer schon sitzt, beobachtet die Vorbeigehenden.
Aperitif im Museumsquartier
Auch abends ist jede Menge im Freien geboten. Nach einem Aperitif im Museumsquartier, wo in den mondänen Innenhöfen vor den Museen Leopold und mumok die kultigen Enzis stehen.
Das sind jedes Jahr neu gestaltete Sitzmöbel in XXL-Dimensionen, wie übergroße Sofas auf denen eine ganze Gruppe Platz findet. Hier schenkt das Café Leopold aus, das zugleich Restaurant mit Bar und Club ist.
Eine Alternative für den Sundowner bietet die Copa Cagrana. Die Vergnügungsmeile am Donaukanal ist mit den Jahren ein wenig heruntergekommen, gerade in der Gegend um die Partymeile Sunken City.
Das teilweise etwas schmuddelige Ambiente passt nicht mehr so recht zur im Hintergrund wachsenden Wolkenkratzer-Skyline der Stadt. Teils sind schon neue, moderne Restaurants und Bars entstanden, teils wird noch abgerissen und umgestaltet.
Hier soll eine Ganzjahresdestination das Sommer-Urlaubsfeeling der bunten Buden ablösen. In den nächsten Jahren ist hier viel Neues zu erwarten.
Kulinarik als Kultur
Ob die Kultur der Wiener Heurigen – mit ihren Musikanten und lauschigen Gärten – oder die gepflegte und gehegte Tradition der Kaffeehäuser: Beide gehören zu unseren erklärten Wiener Lieblingsorten, wie das Café Sperl.
Die Öffnungszeiten der Kaffeehäuser – von frühmorgens bis Mitternacht – sind erstaunlich. Einmal entschieden, ob Kleiner Schwarzer, Kapuziner, Einspänner oder Melange – die Liste der Kaffee-Spezialitäten ist noch um einiges länger – benimmt sich hier ein jeder wie in seinem Wohnzimmer: Kleine Speisen, süß oder pikant, machen den ausgedehnten Aufenthalt im Kaffeehaus so richtig angenehm.
Neben Tagesgerichten, Würstchen mit Senf oder Snacks sind das die Mehlspeisen, fast immer hausgemacht, oft nach geheimer Rezeptur. Einige von ihnen sind weltberühmt, wie die Sachertorte oder die Kunstwerke der k.u.k Hofzuckerbäckereien Demel und Gerstner.
Dazu schmeckt die bei Wienern und Touristen gleichermaßen beliebte Melange, ein kleiner Espresso mit Milchschaum serviert.
Der Franziskaner kommt mit Sahne anstatt des Milchschaums auf den Tisch und der Einspänner ist ein doppelter Espresso mit einem Schluck Wasser und Schlagsahne im Henkelglas.
Partymenschen treffen frühmorgens auf Zeitungslesende Geschäftsleute. Später kommen die Einsamen, die Gesellschaft zum Alleinsein suchen, in mitgebrachten Büchern schmökern, via WLAN im Internet surfen, und überhaupt jeder, der Privates oder Geschäftliches zu besprechen hat.
Kaffeehäuser als Aufenthaltsorte
Wieder andere kommen zum Ausruhen, zum Spielen am Billard oder Kartentisch, um sich zu stärken oder schlicht zum Sehen und Gesehen-Werden.
Warum auch immer die Wiener in ihre Kaffeehäuser gehen – sie sind eine Institution und das Kaffeetrinken ist hier Kult, ein umfassendes Lebensgefühl.
Mit dem Eintreten, etwa ins Café Sperl, bleibt Alltagsstress und Großstadthetze zurück.
Plüschbänke stehen um Marmortische, auf dem Parkett scharren Thonet-Stühle. Spiegel reflektieren mild gedämpftes Licht, ein Sonnenstrahl bricht sich im Raum.
Manche Kaffeehäuser sind prunkvoll eingerichtet, mit Samt, Polster und Lüstern, andere erinnern nurmehr an den einstigen Prunk. Abgenutzt und nachgedunkelt verschafft das diesen Orten ihre besondere Atmosphäre.
Diese entsteht auch durch die vielen Geschichten, die sich um sie ranken: Um 1900 gingen etwa die Kaffeehaus-Literaten in die Geschichte ein: Sie nutzten die Kaffeehäuser nicht nur als Treffpunkte, sondern erwählten sie sogar zum Arbeitsplatz, etwa Peter Altenberg, der sein Stamm-Lokal, das Café Central im Palais Ferstel, auf seine Visitenkarte als Anschrift setzte und den noch heute dort ein Denkmal ehrt.
Vor den Schriftstellern waren schon die Komponisten da: Johann Strauß, Sohn und Vater, aber auch Mozart und Beethoven präsentierten dort ihre Werke.
Moderne Gastronomie in Wien verschmilzt mit Tradition
Wo Intellektuelle und Lyriker Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Kaffeepause zelebrierten, z.B. im ehemaligen Café Beethoven in der Universitätsstraße, lädt heute das Stadtkind zur schicken Einkehr.
Das Lokal in der Innenstadt nutzt die Gemütlichkeit dieses Kaffeehauses für ein modernes Gastronomiekonzept.
Das Küchenteam spielt mit mediterranen Spezialitäten und Wiener Tradition.
Da treffen getoastete Vollkorn- und Weißbrottoasts oder ofenwarme Laugenstangerl auf Ziegenkäsecreme mit karamellisierten Jungzwiebeln und Sonnenblumenkernen, Curry-Ei oder Bergkäse mit Melanzani, getrockneten Tomaten und Chili. Für den größeren Hunger stehen etwa Farfalle mit Limettenmascarpone, Peperonata und Chili oder Salat zur Wahl. Frühstück gibt es für Langschläfer bis Lokalschluss um Mitternacht.
Weinberge, Heurige und Buschenschanken
Nicht zuletzt lebt die vielfältige kulinarische Kultur Wiens neben der Kaffeekultur auch von den Weinbergen der Stadt. Ganze 700 Hektar Fläche nehmen die Weingärten innerhalb der Stadtgrenzen ein. Zu 80 % wächst hier Weißwein, eine Spezialität ist der Wiener Gemischte Satz.
Der Weinanbau prägt die lebendige urbane Weinszene und natürlich die Tradition der Heurigen-Lokale in und um Grinzing. Kleine Bummelzüge bringen Gäste zum Besuch der Weinlokale an den Stadtrand.
Über dem Eingangstor zeigt der traditionelle „Buschen“ an, ob der neue Wein zum Ausschank bereit steht. Dazu gibt es dann kleine Gerichte wie einen Knödel mit Sauce zu echt erschwinglichen Preisen vom Buffet.
An diesen beiden Details – zum Buffet geht man selbst und zahlt direkt dort – erkennt der Fremde, ob es sich um einen originalen Heurigen handelt oder eines der vielen Touristen-Lokale, die eine Speisekarte wie im Restaurant anbieten.
Wiener Lieblingsorte: Der Naschmarkt
Auch am Naschmarkt sind die In-Treffs gut vertreten. Der Markt, früher ein reiner Lebensmittelmarkt, hat sich mehr und mehr dem Genuss verschrieben.
Während an einem Ende der Gourmetmeile Touristen von den Kellnern zum Platz nehmen aufgefordert werden, in Restaurants von Asia über Italiener bis hin zu Fischlokalen, gehen die Einheimischen hier vorbei.
Die Restaurants am anderen Ende der typischen Marktständchen wirken edler, schön eingedeckt und schließlich heißt wieder die Szene willkommen.
Laute Elektrosounds mischen sich mit dem Stimmenwirrwarr der vielen Gäste. Die Servicekräfte verstehen kaum die Bestellungen. Auch hier boomen Burger und Salate, z.B. mit Mangospalten und gegrillter Pute im Orient-Okzident.
Hier nimmt Platz, wer im Neni, das diese Fressgasse beschließt, keinen Platz mehr gefunden hat. Erstaunlich viele Menschen hier auch zu später Stunde etwas essen, obwohl das Ganze wie eine Outdoor-Partymeile mit Sitzplätzen wirkt.
Wem dann nach Clubbing ist, muss nur ums Eck auf die Wienzeile ins Goodmans: das Kaffeehaus verbirgt im Kellergeschoss eine berühmt berüchtigte Disco, die schon Falco zu ihrem Stammpublikum zählte, genau wie zwielichtiges Gesindel aller Art.
Wiener Lieblingsorte: Der Würstlstand
Für den späten Hunger gibt es die Wiener Würstelstände an der Staatsoper oder am Hohen Markt (Stephansplatz) nahe dem „Bermuda Dreieck“, ein Ausgehviertel mit vielen Cocktail-Bars und Trinklokalen.
Wer in einer der Bars und Clubs, z.B. in der Kju-Bar, in den Stadtbahnbögen tanzt, holt sich seinen Mitternachtsimbiss am Leo, der Imbiss an der U-Bahn-Station Nussdorfer Straße. Und wer die Nacht geruhsam ausklingen lasen möchte oder schon ein Frühstück braucht, sucht in dieser Stadt natürlich ein Kaffeehaus (Betonung auf ee) auf.
Lesen Sie hier weiter über die vielfältige Gastronomie in Wien und unsere Genussreise durch Wien.
Text und Fotos der Wiener Lieblingsorte: Verena Wagner