Die Via Sacra verknüpft sakrale Stätten und Kunstschätze der Länder Sachsen, Polen und Tschechien und präsentiert sich in dem alten Kulturraum als interessante touristische Route. Wir waren unterwegs auf der Heiligen Straße …
Auf alten Handels- und Pilgerwegen durchzieht die Via Sacra, die Heilige Straße, die Oberlausitz, Niederschlesien und Nordböhmen und führt zu einzigartigen sakralen Bauwerken und Kunstschätzen im Länderdreieck.
Sakrale Architektur und Kunst, Legenden, Ereignisse und Persönlichkeiten von europäischem Rang zeugen vom Jahrhunderte langen Miteinander der Deutschen, Sorben, Polen und Tschechen in diesem Raum links und rechts der Neiße.
“Man wird sich an den Vorzügen seiner Zeit nicht wahrhaft und redlich freuen, wenn man die Vorzüge der Vergangenheit nicht zu würdigen versteht.” Ein Wort Goethes, der selbst einst Böhmen und Schlesien bereiste.
Die Via Sacra versteht sich so gesehen auch als eine Brücke.
Die Bezeichnung Via Sacra greift Latein als Kirchensprache auf und nimmt Bezug auf die historische Via Regia, die einst als Handelsstraße und Pilgerweg die heutige Euroregion Neiße durchzog und in die neue Route integriert ist.
Textilkunstwerk
Die Erkundungen beginnen in der Oberlausitz: In Zittau wurde 1945 ein wertvolles Stück Tuch als Duschvorhang zweckentfremdet.
Nun hängt es restauriert in der größten Museumsvitrine der Welt (Guinness Buch der Rekorde).
Das Große Zittauer Fastentuch ist ein einzigartiges Textilkunstwerk. Präsentiert wird das Kunstwerk seit 1999 im eigens dafür geschaffenen Museum “Kirche zum Heiligen Kreuz”.
Fastentücher wurden in früheren Zeiten dazu verwendet, während der Fastenzeit das Allerheiligste der Kirche vor den Augen der Gläubigen zu verbergen. Das sollte der Buße dienen.
Am östlichsten Weinberg Deutschlands liegt idyllisch an der Neiße das älteste Frauenkloster des Zisterzienserordens in Deutschland, das seit seiner Gründung 1234 ununterbrochen besteht.
Trotz vieler Schicksalsschläge leben hier seit über 770 Jahren Zisterzienserinnen nach der Regel von St. Benedikt: Ora et labora (bete und arbeite). Konzerte, Klostermärkte, ein Kräuterfest und andere Veranstaltungen locken das ganze Jahr über Besucher an. Ein im Kloster eingerichtetes Internationales Begegnungszentrum bietet Gästen eine Unterkunft.
Klosterleben
Auf sächsischer Seite zählen zur Via Sacra außerdem das Kloster Marienstern in Panschwitz-Kuckau bei Bautzen, der Petri-Dom in Bautzen mit seiner Schatzkammer und das Heilige Grab in Görlitz, eine Nachbildung der Heiligen Stätten Jerusalems.
Dazu kommen die Dorfkirche in Cunewalde, die größte evangelische Dorfkirche Deutschlands, und die Burg- und Klosterruine auf dem Felsmassiv Oybin im Zittauer Gebirge und Herrnhut.
In diesem ostsächsischen Städtchen hat die evangelische Freikirche Herrnhuter Brüdergemeine ihren Stammsitz.
Hier werden jedes Jahr die weltbekannten Herrnhuter Losungen gezogen, eine Sammlung frommer Texte für jeden einzelnen Tag des Lebens.
Der rund 180 Jahre alte Herrnhuter Stern erleuchtet im Advent Tausende Wohnungen, Kirchen, Plätze und Straßen weit über die Stadt hinaus.
Pilgerstätte
In Böhmen in Tschechien gehört, neben drei weiteren Stationen, das ehemalige Franziskanerkloster samt Wallfahrtskirche in Hejnice (Haindorf) zur Via Sacra.
Der Komplex wurde in den vergangenen Jahren aufwendig saniert und heißt heute Internationales Zentrum der geistlichen Erneuerung.
Der Direktor und Priester Milos Raban, der uns durch seine gewaltige Kirche führte, die einst die zweitgrößte Pilgerstätte im Habsburger-Reich war, zeigte uns, dass das einstige Kloster seinen “genius loci” wiedergewonnen hat und als moderne Beherbergungsstätte keine Wünsche offen lässt.
Wir schliefen ausgezeichnet nach einem guten Essen, einem langen philosophischen Gespräch mit Raban sowie dem Verkosten des süffigen Rotweins.
In Mnichovo Hradistfl (Münchengrätz) ganz im Süden, liegt Wallensteins letztes Lager, dominiert vom Schloss der Valdstejns. Die Kapelle zur heiligen Anna beherbergt das Grab des berühmten kaiserlichen Feldherrn.
Zu den vier Stationen in Polen gehört die zum Unesco-Weltkulturerbe zählende Friedenskirche in Jawor (Jauer) sowie die Kirche Wang in Karpacz (Krummhübel) im Riesengebirge.
Als Ergebnis des Westfälischen Friedens 1648 durften schlesische Protestanten drei Kirchen bauen, die Friedenskirche zum Heiligen Geist in Jauer ist eine davon und seit 2001 als UNESCO-Weltkulturerbe gelistet.
Bei der Kirche Wang handelt es sich um eine im Wald gelegene Stabkirche, die Preußens König Friedrich Wilhelm IV. in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Norwegen abbauen und zunächst nach Berlin schaffen ließ.
Schließlich fand das hölzerne Gotteshaus im Riesengebirge eine neue Heimat. Um ausreichend Zeit für die Entdeckung der Details zur Verfügung zu haben, empfiehlt es sich, im benachbarten Pfarrhaus zu übernachten.
Das Weltliche und das Geistliche mischen sich in dem touristischen Projekt. Wer nun glaubt, entlang der Via Sacra nur Männer im Talar zu treffen, der irrt. So verspricht sie das Abenteuer einer zu bestaunenden Neuentdeckung.
Die rund 550 Kilometer lange Heilige Straße lässt sich in zwei Schleifen befahren oder von einem zentralen Punkt aus ohne Quartierwechsel in sternförmigen Touren erschließen. Das zur Verfügung stehende Informationsmaterial enthält unter anderem auch zahlreiche und gute Empfehlungen zu Restaurants und Hotels in der jeweiligen Region.
Text: Dr. Michael Polster
Fotos: Abegg-Stiftung/Christoph v. Virág, Schloss Friedland / R. Pech / W. Schmidt, Dr. Michael Polster