Heute gibts es wieder Tipps aus meiner Lieblingsstadt Venedig. Man sagt, die Venezianer fahren aufs Festland, wenn sie mehr brauchen als Gemüse und Brot. Das ist richtig, denn hier ist vieles teurer. Weil nämlich alles mühevoll auf Booten herangefahren und umgeladen werden muss. Und trotzdem ist Venedig eine phantastische Einkaufsstadt. Denn hier kann man sich treiben lassen beim Bummeln und Einkaufen – man geht ja meist zu Fuß.
Und ganz Venedig bietet an jeder Ecke Läden jeder Couleur.
Hier gibt es alles: vom billigen Nippes zum raren antiken Stück, vom fernöstlichen Imitat bis zur edlen Designer-Robe.
Es gibt die ruhmreichen Masken und das Marmorpapier, handbedruckte Stoffe und mundgeblasenes Glas.
Und all das gibt es natürlich teuer – wenn man im Viertel zwischen Markusplatz und Rialtobrücke bleibt, wie viele Besucher.
Die Boutiquen von Versace, Armani, Fendi, Dior und Gucci liegen deshalb ebenfalls hier in der Nähe von San Marco.
Und hier treiben sich auch gerne vor allem Asiaten herum und leben ihren Shoppingurlaub aus.
Ich suche gerne preiswerte Mitbringsel, deshalb spaziere ich in jene Stadtteile, die Castello, San Polo und Dorsoduro heißen.
Sie sind genauso alt wie San Marco, auch hier gibt es Arkadengänge, mächtige Portale, lichte Höfe mit plätschernden Brunnen.
Nur stehen die Hotels nicht so dicht, und die Läden sind nicht so herausgeputzt.
Castello beginnt gleich am Dogenpalast. Vom Ufer der Riva degli Schiavoni führen Sortoportegi (Durchgänge) und kleine Gassen ins Innere der Stadt.
Nach Läden mit Wasserhähnen, Bügeleisen und einem Metzger, der Schweinsfüße im Fenster liegen hat, gibt es höchst ungewöhnliche Pasta. „Fettucine al cacao” zum Beispiel oder mit Tintenfisch geschwärzte „Spaghetti al nero di seppia” oder eine kunterbunte „Fantasia di pasta”.
Es gibt Tagliatelle, Tortellini, Gnocchi in allen Farben. Mit Knoblauch und rotem Pfeffer, mit Blue Curacao, mit Kaffee, mit Curry, mit Lachs – wohlgemerkt nicht als heiße Speisen, sondern als trockene Teigwaren.
Das sind originelle venezianische Mitbringsel, die es auch an Rialto gibt, nur eben dort zum doppelten Preis.
Ich spaziere weiter an bunten Häuserzeilen mit blankgeputzten Klingelknöpfen entlang.
Und entdecke hier die reinsten Kunstwerke – so wie diese Harlekine. Ich war echt versucht, an einer Nase mal kurz zu ziehen.
Wäsche hängt an Leinen in den Innenhöfen oder an der Fassade.
Und Venezianer treffen sich in den Calle auf einen kurzen Plausch mit Freunden.
Spielende Kinder, plaudernde Hausfrauen sieht man im volkstümlichsten Teil von Castello, der Via Garibaldi.
Das ist Venedigs breiteste Straße – ein unter Napoleon zugeschütteter Kanal.
Dann erreiche ich Mauer und Turm, den Zinnenkranz des alten Arsenals. Hier haben viele kleinen Handwerker ihre Werkstätten. Ich schaue einem Schreiner oder Restaurator über die Schulter.
Und schon stehe ich am anderen Ufer Castellos und blicke hinüber auf die Friedhofsinsel und nach Murano.
Dort wird noch immer Glas geblasen und es gibt auch ein sehenswertes Glasmuseum.
Es ist für mich immer wieder überraschend, welch wunderschöne Kunst aus Glas entstehen kann – aber auch viel Kitsch.
Die ungewöhnlichste Buchhandlung der Welt
Zurück, quer durch San Marco mache ich einen Besuch in meinem Lieblingsantiquariat, der Libreria Aqua Alta. Bücher gestapelt in Gondeln und verwinkelten Räumen …
Für mich ein verwunschener Ort, von dem ich mir immer selbst ein Geschenk mitnehme. Und wenn es nur eine besondere alte Ansichtskarte von Venedig ist. Ganz in der Nähe wird marmoriertes Papier angeboten.
Natürlich nicht nur hier, aber die Preise sind hier eben reeller: Tintenfässer, Notizbücher, Kästchen jeden Formats, und plastische Bilder – ebenfalls aus Papier.
Ebenfalls aus Pappmache ist einer der begehrtesten Exportartikel von Venedig: Masken. Sie sind überall zu haben. Selbst in entlegenen Vierteln hängen sie im Fenster.
In vielen Läden kann man zusehen, wie sie gemacht werden – die humorvollen Masken der Commedia dell’ arte oder die geheimnisvollen der Edeldamen.
Unheimlich ist sie, aber zugleich lustig, und überdies gilt sie als Schutz gegen alles Übel dieser Welt: die Maske des Dottore delle Feste.
Sie hat einen langen Vogelschnabel. In dem brachte der Pest-Arzt einst heilende und desinfizierende Kräuter unter, um seinen Atem zu schützen.
Im Glas des Schaufensters sehe ich mich mit “Corona-Maschera” und komme kurz ins Grübeln.
Gestärkt mit einem köstlichen Eis erreiche ich die Rialto-Brücke. Mein Ziel ist nämlich der Fischmarkt und das dahinter liegende Viertel San Polo.
Hinter jeder Ecke ein Geheimnis?
Kein Wunder, dass Venedig Künstler und Schriftsteller jeder Couleur seit jeher anzieht.
Die Stadt hat etwas Magisches, ganz Besonderes. Labyrinthische Gänge, Treppen, die im Wasser enden, von Löwen bewachte Innenhöfe, Brücken, darunter dunkles Wasser, über das schwarze Gondeln gleiten.
Wenn die Dämmerung vom Meer her in die Kanäle steigt, wenn die ohnehin schattigen Gassen noch finsterer werden, liegt nichts näher, als an die schaurigen Fantasien zu glauben, die Patricia Highsmith oder Donna Leon und viele andere Schriftsteller in dieser Stadt ersonnen haben.
Hinter den Fensterbögen der alten Paläste scheinen düstere Geheimnisse zu schlummern, der Schritt maskierter Abenteurer hallt noch durch die Gassen, ein ferner Ruderschlag kündet von verbrecherischer Flucht durch die Kanäle.
Es macht Spaß, sich solche Szenen auszumalen.
Und am schönsten ist es für mich, im Vaporetto No. 1 durch den dunklen nächtlichen Canal Grande entlang zu fahren.
Dann sind die Fenster in den Palazzi offen. Und ich erhasche im Licht glänzender Luster (Kandelaber) pompöse Räume mit Gemälden und Stuck an den Decken. Die Zeit bleibt stehen…
Wollen Sie noch mehr über Venedig erfahren? Wie sie früher aussah die Stadt auf dem Wasser? Oder wollen Sie die Lagune per Boot erkunden? Lesen Sie einfach weiter …
Text: Annemarie Heinrichsdobler
Fotos: Annemarie Heinrichsdobler, Edmund Heinrichsdobler