Wenn auch nicht zwangsläufig Fingerfood, so doch immer Funfood: Tapas haben ihren Weg aus Andalusien zu uns gefunden. Die meist sehr deftigen und herzhaften Leckereien in eher kleinen Portionen entsprechen dem gesunden, aktuellen Trend zu unkompliziertem, abwechslungsreichem und kommunikationsförderndem Essen.
In Andalusien gehört Tapas-Essen zum normalen Alltag. Jung und alt, die ganze Familie, geht dort gemeinsam zum “tapeo”. Was soviel heißt wie zum “Tapas-Essen-Gehen”. Man trifft sich vor dem Abendessen in einer Bar, Bodega, Tasca, Taberna oder Mesón – wie die Tapaslokale in den unterschiedlichen Regionen heißen.
Maurische Rituale
Der Zweck des Tapas-Rituals ist nicht die Sättigung, denn das eigentliche Essen kommt ja erst danach.
Es ist die Kommunikation und um den Einfluss des Alkohols auf ein gesellschaftlich erträgliches Maß zu reduzieren. Denn offensichtliche Trunkenheit und daraus resultierende Pöbeleien und Raufereien sind bei der einheimischen Bevölkerung verpönt.
Dies deutet darauf hin, dass der tapeo, wie auch der traditionelle Flamenco und viele andere Sitten und Feste aus Andalusien, wahrscheinlich arabischen Ursprungs ist.
Das Hauptessen beginnt erst einige Zeit danach und läuft ohne Gespräche ab.
Die Bezeichnung tapa (Deckel) wird häufig von der Tradition abgeleitet, Weingläser mit einem Stück Brot oder Schinken abzudecken, um sie vor Fliegen und Staub zu schützen.
Auch eine bildhafte Verwendung ist vorstellbar: als kleiner Happen, der den Magen schließt, um einer zu starken Alkoholisierung entgegenzuwirken.
Spieße und Canapés
Die Beschaffenheit der einzelnen Tapas könnte unterschiedlicher nicht sein. Von kalten kleinen Appetithäppchen (pinchos: dt. Spieße), die mit der Hand oder einem Zahnstocher (palillo) gegessen werden, über Canapés (in Valencia auch mondatitos genannt) auf einer Scheibe Brot.
Bis hin zu den warmen Speisen (tapas de cocina), die in kleinen Tonschalen (cazuelitas) serviert werden.
Häufig sind die verschiedenen Sorten von Tapas für jeden Gast sichtbar an der Bar aufgestellt.
Auch die Zusammensetzung der Gerichte stellt einen Streifzug durch die Vielfalt der spanischen Küche dar. Fisch, Fleisch und Meeresfrüchte, Gemüse, Salat und Obst sorgen für Abwechslung und verschaffen der einzelnen Bar ihren individuellen Charakter.
Meist zwischen 10 und 20 unterschiedliche Tapas bietet das durchschnittliche Lokal. Viele Bars setzen individuelle Schwerpunkte. Und das weiß der Spanier zu schätzen: Oft spaziert man von einer Bar zur anderen, um die Spezialitäten des jeweiligen Hauses zu kosten und wieder auf andere Bekannte zu stoßen.
Was sind klassische Tapas?
Zu den ursprünglichsten Tapas gehören die ganz schlichten Varianten, die in Spanien häufig auch ohne eine separate Bestellung zu jedem Getränkegang gereicht werden: geröstete oder nur gesalzene Mandeln, Oliven, ein Stück Ziegenkäse, hauchdünne Scheiben Schinken oder Wurst.
Zu den Fritos, in Olivenöl gebratenen oder frittierten Tapas zählen z.B. gebratene Artischocken, panierte Garnelen, Sardinen, Kroketten, frittierte Paprikawurst und Babytintenfische.
Beliebte Tapas de cocina sind beispielsweise Nieren in Sherrysauce, Bratkartoffeln in scharfer Sauce, Darmsuppe, marinierte Schweinelendchen auf Brot, Paprikawurst in Apfelwein, Schweineohren und Kartoffelomelette.
Das Tapas-Sortiment ergänzen desweiteren eingelegte oder gefüllte Gemüse, Salate, Aufstriche und Meeresfrüchte, Sardinen in Essig, Avocado in Koriander-Kreuzkümmelsauce, Rohmilchkäse, marinierte Muscheln oder Kartoffelsalat.
Tapas-Bars als Single-Treffs
Ein ständiges Kommen und Gehen herrscht in den Bars auf der iberischen Halbinsel, auf den Balearen und Kanaren. Man kostet von der Schale des Nachbarn, tauscht, wechselt von einem Bekannten zum anderen.
Wen wundert es: wie sonst lassen sich unverfänglicher Kontakte knüpfen als durch neugierige Blicke und Fragen auf duftende Schälchen oder – noch viel besser – eine freundliche Einladung zum Probieren.
Da ordert man idealerweise gleich anfangs eine Ración – eine große Portion. Wenngleich die Mengen in unseren Breiten oft ohnehin schon dem größeren Appetit der Deutschen angepasst wurden und kaum noch jemand daran denkt, auf die Tapas noch ein üppiges Essen zu Hause folgen zu lassen.
Wer etwas und wieviel gegessen und getrunken hat, weiß man am Ende oft nicht mehr so genau – das bereitet aber kaum jemanden ein Problem.
Meist ist es ohnehin einer der Gäste, der die Rechnung für alle übernimmt. Separat zu zahlen ist dabei nicht üblich – wie in vielen Ländern Südeuropas.
Auch wenn der konsumierte Alkohol wegen der zahlreichen „Deckel“ nur eine geringe Beeinträchtigung darstellen dürfte, von wichtigen Terminen am nächsten Tag sollte man doch besser Abstand nehmen. Denn die Knoblauchschwaden, die dem Tapas-Verkoster fröhlich entströmen, lassen sich auch durch geschicktes Parfümieren nur mühsam abdecken.
In unserem Beitrag 48 Stunden in Vitoria-Gasteiz ziehen auch wir durch die verschiedensten Taps-Bars.
Foto: Spanisches Generalkonsulat / Redaktionsarchiv