Bunte Häuser, blonde Menschen und Elche – das typisch deutsche Bild Schwedens. Doch gerade die südlichste Region, Schonen, hat mehr zu bieten: Dort gibt es die erste Fairtrade-Stadt Schwedens, vegetarische Schweine, 70 Golfplätze und viele Leckerbissen. Hier unser Reisebericht …
Skol!
Im Munde Karins durchläuft das “o” dabei mehrere Vokale (Skeoul) – fast wie bei Butler James alias Admiral von Schneider aus Dinner for One nach dem etwa sechsten Anstoßen – nur gewollt.
Der ausgeprägte Dialekt der Schonen, die die südlichste der 25 schwedischen Landschaften bewohnen, ist eines ihrer Markenzeichen.
Ihre Eigenwilligkeit ein anderes. Denn wie richtige Schweden fühlen sich die 1,16 Mio. Bewohner Schonens, das auf schwedisch Skåne heißt, nicht. Damit erinnern sie ein wenig an die Bayern und ihre Einstellung zu Deutschland.
Ob sie sich so unschwedisch fühlen, weil sie nicht das Klischee der blondhaarigen Bewohner erfüllen, die in kleinen bunten Häuschen, umringt von Elchen, wohnen? Kann sein – vielleicht liegt es aber doch dem aufrührerischen bayerischen Gedankengut näher, als gedacht.
Denn der Puls Schonens, die Stadt Malmö, wurde vor 800 Jahren von deutschen Kaufleuten gegründet. Sie tauften es Ellbogen, der Form ihrer Meeresbucht wegen.
Bis 1658 war Schonen Teil Dänemarks. Diesem Land sind die Einwohner gedanklich und auch geographisch – dank der im Jahr 2000 eröffneten Öresund-Brücke – näher, als dem Großteil Schwedens.
Die grüne Stadt
Die 276.000 Bewohner Malmös differenzieren sich nicht nur durch ihre Eigenwilligkeit vom Rest Schwedens. 2006 wurde ihre Stadt zur ersten Fair Trade City Schwedens gekürt. Damit haben sie der Abwärtsspirale in den 80ern ein Ende gesetzt.
Zum Wandel trugen 1997 die neu eröffnete Malmö University bei, aber auch die Schaffung vieler Arbeitsplätze im IT-Bereich. Es siedelte sich eine kulturell und ökologisch aktive, sehr junge Bevölkerung an, die den Wandel verstärkt hat.
Nicht zuletzt stießen ökologisch und sozial engagierte Politiker die Veränderungen an. Heute dominieren grüne Stadtbusse im doppelten Sinne – optisch und ökologisch, denn sie fahren mit Naturgas – das Stadtbild. 12 % der Fläche Malmös nehmen Parks ein und viele Läden sowie Restaurants haben sich dem Fairen Handel sowie dem Öko-Gedanken verschrieben.
Die Nachfrage von Seiten der Malmöer nach Öko- und fairer Ware ist mittlerweile so groß, dass die Geschäfte sich gezwungenermaßen darauf einstellen. In der Malmöer Fußgängerzone haben sich einige Geschäfte auf Designer-Kleidung aus ökologischen Materialien spezialisiert.
Jane Wikström Design bietet z.B. selbst entworfene Kleidungsstücke, Schuhe und Schmuck. Das Besondere ihrer Kleidung: die verarbeitete Baumwolle wächst in zwei Braun- und einem Grünton an den Büschen – eine Entwicklung amerikanischer Ureinwohner, die der Hersteller Natural Cotton Colours aus Arizona wieder aufgegriffen hat.
Faire Stärkung
Nach dem Shoppen genehmigen sich die Malmöer einen Fair Trade Cappuccino im „Barista“. Die Coffee Shop-Kette versucht so viele Zutaten wie möglich aus fairem Handel und gleichzeitig ökologischer Produktion einzusetzen.
Bei der Milch wird ausnahmsweise auf den fairen Anspruch verzichtet und auf Bio-Ware aus der Region ausgewichen.
Jede Filiale ist zudem Pate einer Schulklasse des United Nations-Programms “Food for School” in Äthiopien. Der Erlös spezieller Süßigkeiten wie Lakritze wird z. B. für die Verpflegung der Schüler aufgewendet. Der Lohn: Der Mädchenanteil in diesen Schulen ist seither um 32 % gestiegen, da die Schüler auch Essen für die Familie mit nach Hause geschickt bekommen.
Öresund-Blick und Öko-Kost vereint das an den Sundspromenaden gelegene Salt & Brygga. Das Konzept des Restaurants ist durch und durch “Öko” – von den geräuschhemmenden Deckenmatten über die Arbeitskleidung bis zur Bio-zertifizierten Kaffeebohne.
Das Fleisch des ökologisch gezüchteten Lachsfilets in Safransauce mutet für den unbedarften Gast etwas blass an, hat aber mit dem Verzicht auf gefärbtes Futter zu tun – und geschmacklich sieht da hingegen ein konventionelles Lachsfilet blass aus.
Das Engagement des Gründers Björn Stenbeck wurde schon mehrfach ausgezeichnet, z. B. mit dem Titel Schwedens meist umweltbewusstes Restaurant. Weitere faire Einkaufs- und Genießertipps finden sich in der englischen Broschüre Organic/Fairtrade-guide Malmö, die beim Tourismusverband Skåne erhältlich ist.
Endlos weite Natur
Nach dem Samstagsshopping zieht es die Bewohner Schonens am Sonntag in die Natur. Sonnenanbeter, Wasserratten und Jogger machen einen Abstecher zur 400 km langen Küste mit ihrem sonnendurchfluteten Sandstrand und den zerklüfteten Felsen.
Hier findet sich endlich auch das ein oder andere bunte Strandhäuschen, das zu typischen Schwedenfotos animiert.
Bei schlechtem Wetter findet sich unter den 200 Herrenhäusern, Schlössern und Palästen der Region sicher eines, dessen Schätze man besichtigen kann. Viele sind auch zu Hotels und Restaurants umgebaut worden.
Am Wochenende gehen Familien gerne golfen. Der Sport hat hier kein so elitäres Image wie in Deutschland, es ist wirklich ein Freizeitvergnügen für die ganze Familie. Etwa 600.000 Spieler vergnügen sich auf den über 70 Golfplätzen, die innerhalb einer Stunde erreichbar sind.
Sportlern bietet Schonen zudem 900 km Wanderwege und idyllische Radstrecken. Die Seen und Flüsse laden zum Kanufahren und Angeln ein und im Nordwesten kann man Klettern.
Vegetarische Schweine
Schonen hat sich darüber hinaus einen Namen als Schwedens führende Provinz für Gaumenfreuden gemacht. Kein Wunder, Schonen ist eine der fruchtbarsten Agrarregionen Schwedens mit einem Überangebot an regionalen, erstklassigen Erzeugnissen.
Das Fleisch glücklicher und vegetarisch gefütterter Schweine können z. B. Besucher des historischen Gutshofs Ängavallen in Vellinge kosten. Inhaber und Pionier der artgerechten und nachhaltigen Landwirtschaft in Schonen, Rolf Axel Nordström, versucht hier, im Einklang mit der Natur zu leben und zu wirtschaften.
Er setzte sich aber gegen seinen Vater durch, wurde nicht Lackierer, sondern staatlich geprüfter Landwirt und hat sich mit dem Kauf des Gutshofs Ängavallen einen Lebenstraum verwirklicht.
Der Lohn: Das angegliederte Restaurant wurde bereits 2008 vom schwedischen White Guide, der vergleichbar mit dem Michelin ist, zum besten Öko-Restaurant Schwedens gekürt. Das selbstgebackene Brot, hausgemachter Senf und die vielen Fleisch- und Wurstwaren wie mariniertes und heißgeräuchertes Kassler, Olivenmortadella oder Cognac Salami kaufen viele Einheimische im angegliederten Hofladen.
Schwedische Kulinarik
Als deutscher Tourist sollte man sich keinesfalls einen Besuch beim Landsmann Wilhelm Pieplow entgehen lassen. Das Hamburger Original wanderte vor vielen Jahren nach Schweden aus, um der Bundeswehr zu entfliehen. “Die schönen schwedischen Frauen trugen aber auch zu meiner Entscheidung bei”, gesteht er schmunzelnd.
Sein Restaurant Årstiderna logiert in einer bestens erhaltenen Residenz der nordischen Länder aus dem 16. Jh., dem Kockska Huset. Früher diente der eindrucksvolle Gewöbekeller Empfängen von Jörgen Kock als stilvoller Rahmen. Der Deutsche stand damals als Münzmeister im Dienst des dänischen Königs und spornte Wilhelm Pieplow zu seinem großen Ziel an: “Jörgen war der erste Deutsche, der hier oben Münzen geprägt hat, ich wollte der zweite Deutsche werden.”
Das hat er mit seinem gut florierenden Restaurant fast geschafft, nur dass er die Münzen nicht mehr prägen muss, sondern direkt seiner Sammlung hinzufügen kann. Ein Geheimtipp für Touristen ist die Spezialität des Hauses: das Martinsgans-Menü. Von Oktober bis Dezember werden hier 400 Gänse tranchiert.
Nun fehlt noch ein wichtiger kulinarischer Programmpunkt auf Ihrer Schwedenreise: ein typischer Heringsteller.
Wo sonst sollten sie diesen kosten, als auf der “Herings”-Halbinsel Schwedens: Skanor-Falsterbo.
Im Skanör’s Gästgifvaregård wird ein derartiger Heringsteller serviert. Dazu gehören vier bis fünf Heringssorten z. B. in Currysauce, mit Senf gefüllt, paniert und gebraten.
Nicht fehlen dürfen das dunkle, leicht süß schmeckende Brot, etwas Knäckebrot, ein Klecks Crème fraîche und Prestost, ein schwedischer Kuhmilchkäse.
Abgerundet wird der Teller durch die schwedische Delikatesse Löjrom. Bei diesem schwedischen Kaviar handelt es sich um Maränenrogen, also die Eier eines Forellenfischs. Dieser hat übrigens einiges mit den Schonen gemeinsam: Er trägt bayerische Züge in sich.
Die Felchenart ist nämlich mit der bayerischen Renke verwandt. Also dann: “Smaklig måltid!” – Guten Appetit!
Zusatzinfos:
Anreise: Flug zum Kopenhagen Airport Kastrup, Weiterfahrt mit dem Zug nach Malmö und Schonen (Skånetrafiken); oder Flug zum Malmö Airport;
mit dem Zug: ICE oder EC von Hamburg über Kopenhagen und die Öresundbrücke nach Malmö.
Text: Claudia Kirchner
Fotos: skane.com@Gunnar Magnusson, BusinessRegion Skane, skane.com@sydpol.com, www.imagebank.sweden.se/Martin Nyman, Claudia Kirchner, Heike Sievers