Stundenlang könnte man zusehen, bequem und entspannt aus dem Hotel-Swimming-Pool: Den Dorfkindern, die am blütenweißen Sandstrand spielen; den Fischern, die ihre malerischen Dhaus vorsichtig durchs Riff steuern, ihren bescheidenen Fang an Land bringen und versteigern. Oder den Frauen, die im flachen, blaugrün schwimmenden Wasser Seegras ernten, um es den Einkäufern irgendeiner Kosmetikfirma zu verkaufen und sich ein kleines Zubrot zu verdienen. Sansibar ist ein Paradies, allerdings mit kleinen Flecken. Folgen Sie unserem Reisebericht.

Wir sind auf Sansibar, der tropischen Trauminsel im Indischen Ozean, die Wilhelm II vor knapp 125 Jahren gegen das kalte, vom Sturm umtoste Helgoland getauscht hat.

Aufgegeben hat der deutsche Kaiser damals ein Stückchen Erde, das in jüngster Zeit zum Urlaubsparadies geworden ist, ohne vom Massentourismus überschwemmt zu werden.

Sansibar: Paradies mit kleinen Flecken - ein Reisebericht
Idyll am Strand von Matemwe

Manchmal schützt sich die Natur eben selbst: Durch einen ausgeprägten Wechsel von Ebbe und Flut beispielsweise, der das Baden direkt vom Strand nicht immer dann möglich macht, wenn der Tourist es will, sondern wenn die Gezeiten es zulassen.

Das kann, je nach Jahreszeit, mal am Vormittag, mal am Abend sein — nicht jeder Touri mag das.

Sansibar: Paradies mit kleinen Flecken - ein Reisebericht
Mit kleinen Auslegerbooten fahren die Fischer hinaus. Der Fang ist spärlich, er reicht gerade so zum Überleben.

Sansibar-Fans schon, denn die mieten sich für ein paar Dollar auf einer Dhau ein, fahren zum Schwimmen, Schnorcheln ein Stück heraus oder wandern durchs knietiefe Wasser ein paar hundert Meter hinaus zum Riff.

Wer den üblichen touristischen Rummel sucht, ist im Nordwesten Sansibars richtig. Im Osten dagegen ist vor allem Natur angesagt.

Ruhe und Erholung ohne Jetski- und Motorbootlärm, ohne blitzende Einkaufsmeilen und laute Discos. Hier liegen die meisten Hotels: Große Anlagen wie das Sultan Sands bei Kiwenga, sehr teure wie das Neptune in Pwani, auch halbwegs preisgünstige Unterkünfte für Rücksacktouristen wie die “Keys Bungalows” in Matemwe.

Matemwe

Bei Matemwe, der vielleicht schönsten Ecke Sansibars, stehen Hotels wie die “Green and Blue Ocean Lodge”, das “Jafferji Beach Retreat” oder das “AHG Dreams Bay Boutique Hotel” – eher kleine, exklusive Anlage, mit eleganten Bungalows, eingebettet in Gartenparadiese mit üppigen Bougainvilleas, Hibiskus-Riesen, Agaven und Palmen.

Bis zu 75 Quadratmeter groß sind die im inseltypischen Stil gebauten Bungalows und doch nur für zwei Erwachsene, vielleicht noch zwei Kinder, gedacht.

Mehr als 100 Gäste zugleich sind selten in den Resorts — und die haben reichlich Pools, Wellness und Spa ganz für sich, oft auch private Verandas mit einer extra Außenbadewanne.

Dazu gibt es Restaurants, die nicht unbedingt billig sind, aber eine ausgezeichnete Küche bieten und guten Service.

Die Köche bringen täglich selbstgebackene Brotvariationen mit eigenen Gewürzmischungen auf den Tisch; Fisch und Meeresfrüchte kommen fangfrisch vom Strand, Mangos und Papayas aus Plantagen um die Ecke. Ab 120 Euro pro Person und Nacht ist das Vergnügen zu haben.

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Kinder auf Sansibar: Hübsche Bilder, die nicht über die Armut der Menschen hinwegtäuschen dürfen.

Die schicken Hotels freilich sind oft Inseln inmitten von Armut. Um sie herum leben noch immer zahllose Menschen ohne Strom und Kanalisation. Immerhin bietet der Tourismus vielen Männern und Frauen Arbeit, ohne ausländische Gäste würden viele Sansibaris hungern.

Und manche sind, wie die Männer des Dorfes Matemwe, recht einfallsreich beim Dazuverdienen. Auf dem einzigen, halbwegs gut zu befahrenden Weg ins Hotelviertel haben sie auf halbem Weg einen Schlagbaum aufgebaut: Wer durch will, wird um eine kleine Spende gebeten – für ein paar Cent geht die Schranke schnell auf.

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Der WEg zum Fluß, um die Wäsche zu waschen, ist auf Sansibar oft weit. Den überlassen die Männer, wie die meiste Arbeit, in der Regel ihren Frauen.

Spenden besonderer Art sammelt manchmal auch die tansanische Polizei. Ausländer, die im Auto unterwegs sind, werden gern mal angehalten – egal, ob sie wirklich zu schnell gefahren sind oder tatsächlich gegen irgendwelche Verkehrsregeln (an die sich auf Sansibar eh kaum jemand hält) verstoßen haben.

Gedroht wird dann mit zum Teil geharnischten Bußgeldern. Die Strafzettel werden freilich blitzschnell zerrissen, wenn der Officer eine Spende in Form von Dollar oder Euro bar auf die Hand bekommt.

Was immer man davon halten will: Nichts führt an der Einsicht vorbei, dass Tansanias Polizisten hoffnungslos unterbezahlt und arm wie die meisten ihrer Landsleute sind. Das ist der Boden, auf dem Bestechlichkeit blüht.

Freigekauft haben sich schon viele, auch nicht mehr ganz nüchterne Autofahrer. “Kilimanjaro”-Bier ist das beliebteste alkoholische Getränk auf der Insel. Gebraut wird es auf dem tansanischen Festland und ist ein vergleichsweise unkompliziertes Überbleibsel der deutschen Kolonialherrschaft.

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Der Palast, in dem die Sultanstocher Salme einst lebte, ist fast verfallen, steht Besuchern aber offen.

Viel erinnert nicht an diese Zeit; außer dem Bier und einigen alten, verfallenen Palästen danken die Sansibaris Kaiser und Reich unter anderem die wahre, aber tragische Liebesgeschichte der Sultanstochter Bibi Salme, die einen deutschen Kaufmann geheiratet und dafür gleich doppelt gebüßt hat:

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Die Sultanstocher Bibi Salme

Mit Mordversuchen und dem schmerzlichen Bann durch ihre Familie auf Sansibar und anschließender schroffer Zurückweisung der Menschen in Deutschland.

Das Buch, in dem Salme ihr Leben und Leiden beschrieben hat, wird auf der Insel gern gelesen und den Touristen, natürlich auf deutsch, verkauft.

Die Paläste rund um die Hauptstadt Stonetown, in der die Prinzessin lebte (übrigens auch der als Farrokh Bulsara geborene und viel zu früh gestorbene Rockstar Freddie Mercury) sind beliebte und sehenswerte Ausflugsziele — wie alles, was zurück in die Blütezeit der Insel weist. Märchenhaft reich waren Sansibars Herrscher, dank des Handels mit Elfenbein, Gewürzen und Sklaven.

Tausende von Menschen wurden Jahr für Jahr verschleppt, bis ins 20. Jahrhundert hinein dienten den Sklavenjägern Höhlen an der Nordküste als Unterschlupf. Viele davon sind zu besichtigen.

Nachhaltigkeit und Naturschutz

Sansibar: Paradies mit kleinen Flecken - ein ReiseberichtMenschen, die in Armut leben und sich ums tägliche Brot sorgen, denken nicht unbedingt  in Kategorien wie Nachhaltigkeit und Naturschutz. Doch es gibt Fortschritte und Lichtblicke.

Zu denen zählt das Mnarani Natural Aquarium, eine Schildkröten-Rettungsstation am nördlichsten Punkt Sansibars. Engagierte Tierschützer sammeln in dem kleinen Reservat am Leuchtturm des turbulenten Urlaubszentrums Nungwi verletzte Meeresschildkröten ein und päppeln sie wieder auf.

Früher wurden die von Fischern gefangen, ihr Fleisch und die Panzer verkauft, es kostete einige Mühe, die Männer davon zu überzeugen, die vom Aussterben bedrohten Schildkröten lieber im Natural Aquarium abzugeben.

40 bis 50 Tiere jeder Größe und jeden Alters leben jetzt in der kleinen, vom offenen Meer abgetrennten sicheren Bucht, bis sie – jedes Mal mit einer kleinen Feier – wieder in die Freiheit entlassen werden.

Sansibar: Paradies mit kleinen Flecken - ein ReiseberichtHilfe vom tansanischen Staat dürfen die Schildkröten-Pfleger nicht erwarten. Was sie brauchen, müssen sie aus Eintrittsgeldern und Spenden der Besucher finanzieren – auch die Prämien für die Fischer, die verletzte Tiere ins Camp bringen statt sie an Restaurants und Kamm-Hersteller zu verkaufen.

Immer mehr Fischer arbeiten mit dem Mnarani zusammen, immer mehr Einheimische markieren und bewachen auch die Stellen am Strand, wo Schildkröten Eier abgelegt haben. Die geschlüpften Jungen werden im Aquarium gehätschelt bis sie zehn Monate alt sind – wenn es dann ins Meer geht, haben sie vergleichsweise gute Überlebenschancen.

Gewürze

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Kokosnuss frisch vom Baum

Unbedingt empfehlenswert ist auch der Besuch einer Gewürzfarm, denn für seinen Gewürzreichtum ist Sansibar berühmt.

Warum aus der gleichen Pflanze mal weißer, mal roter oder schwarzer Pfeffer kommt?

Was nicht nur schmeckt, sondern auch gegen Sonnenbrand (Zimt), Zahnschmerzen (Nelken) oder Nierenleiden (Zitronengras) hilft — all das sind kleine Rätsel, die die Fremdenführer beim Rundgang durch die Farmen fachmännisch auflösen.

Sansibar: Paradies mit kleinen Flecken - ein Reisebericht
Colobos-Affen

Ein paar Euro kosten die Touren, und für kleines Geld führen die Einheimischen den Gast im Jozani-Nationalpark auch zu den Colobos-Affen — possierlichen, gar nicht scheuen Tieren, die es nur auf Sansibar gibt.

Bootsfahrten um die Traum-Atolle vor der Küste, Spaziergänge durch die üppige Natur und entlang der weichen, weißen Strände — alles gibt den arabischen Eroberern Recht, denen Sansibar den Namen verdankt.

„Zayn za l’barr“ sollen die Seeleute bei der Landung gerufen haben: „Schön ist diese Insel“.

Infos Sansibar

Anreise: Viele Airlines bieten Verbindungen von Deutschland nach Sansibar an. Empfehlenswert für Individualreisende ist beispielsweise der Hin- und Rückflug mit TurkishAirlines von 11 deutschen Flughäfen via Istanbul zum Airport Abeid Amani Karume aus Sansibar ab 662 Euro in der Economy; in der exklusiven Business Class fliegt man ab 2230 Euro.

Vom Flughafen in die Hotels gibt es private Zubringerdienste, die – je nach Entfernung – pro Kleinbus zwischen 50 und 70 Euro verlangen. Eine gute Adresse für Leihwagen (mit deutschsprachiger Mitarbeiterin) ist www.kibabucars.com.

Hotels und Infos:  Deutsche Reiseveranstalter haben Dutzende Sansibar-Pauschalreisen (oft in Kombination mit Safaris am Kilimanjaro oder in der Serengeti) im Programm.

Hotels und Resorts auf der Insel sind sehr gut, aber nicht billig. Ein Bungalow für 2 Personen kostet für 6 Nächte ab 1.500 Euro. Einfache, akzeptable Unterkünfte sind für rund 700 Euro pro Woche zu haben.

Angebote gibt es auch (auf englisch) unter www.tanzaniatourism.go.tz

 

Text: Joachim Hauck
Fotos: Joachim Hauck

 

 

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