Der kürzliche Reiseabbruch der AIDAnova in Lissabon und der Mein Schiff 6 in Dubai wegen einzelner Corona-Ausbrüchen hat ein breites Echo in den deutschen Medien gefunden. Viele Menschen fragen sich, ob eine Kreuzfahrt in Zeiten der Pandemie noch sicher und lohnend ist. Unser Autor hat es ausprobiert – und antwortet mit einem klaren Ja.
Lange Zeit waren Kreuzfahrten wegen der Corona-Pandemie gar nicht, und nach einem zaghaften Neustart Mitte 2020 nur unter strengen Auflagen möglich. Inzwischen geht es an Bord der Ozeanriesen wieder relativ locker zu.
Von insgesamt 370 Kreuzfahrtschiffen weltweit sind derzeit etwa 70 Prozent unterwegs. Allein auf der Mein-Schiff-Flotte waren seither bei 246 Reisen immerhin 290 000 Passagiere unterwegs. Die Zahl der Corona-Infektionen wird von den Reedereien zwar nicht exakt beziffert, sie liegt bei den deutschen Reedereien nach Schätzungen unabhängiger Experten aber bei wenigen hundert.
Unter dem Strich sind die Inzidenzen auf Kreuzfahrtschiffen wesentlich niedriger als in Deutschland. Ansteckungsrisiken sind nie und nirgendwo ganz zu vermeiden – auf dem Schiff so wenig wie bei Landausflügen oder der Hin- und Rückreise mit Bahn und Flugzeug.
Etwas mehr Reisevorbereitung als früher ist nötig
Bei unserer Test-Reise, die im Dezember auf der Mein Schiff 2 durch die Karibik ging, galten vergleichsweise strenge Vorsorgemaßnahmen.
Schon vor dem Reisestart, denn wer mitfahren will, hat einige Arbeit vor sich. Vier engbedruckte Seiten mit Gesundheitsvorschriften sind zu lesen und abzuarbeiten. Jeder Gast hat sich um die international anerkannten Impfnachweise zu kümmern und 72 bis 48 Stunden vor Ankunft in Barbados oder La Romana einen PCR-Test zu machen.
Um den richtigen Zeitpunkt zwischen Abgabe des Tests und Vorliegen des Ergebnisses zu finden, braucht es angesichts der Zeitverschiebung zwischen Deutschland und den Karibischen Inseln ein bisschen Rechnerei – und natürlich ist man bis kurz vor der Reise ein wenig unsicher, ob der Test auch wirklich negativ ist.
Endlich an Bord ist es dann weitgehend so, wie man es sich daheim wünschen würde: Alle Passagiere und Besatzungsmitglieder sind mindestens zweimal geimpft. Es gilt sozusagen „1G +“ : ohne Impfung plus PCR-Test kommt niemand aufs Schiff. Das macht vieles möglich, was zuhause unmöglich ist – in der Adventszeit auf der Mein Schiff auch einen Weihnachtsmarkt, der in den meisten deutschen Städten ja verboten war.
Die Anforderungen an die Hygiene an Bord sind zwar noch immer anspruchsvoll, die strengen Regularien, die vor gut einem Jahr an der Tagesordnung waren, sind jedoch deutlich lockerer geworden.
Maskenpflicht gilt (mit Ausnahme an den Plätzen in Bars und Restaurants) nur noch im Innern des Schiffs und dort, wo kein Mindestabstand von eineinhalb Metern eingehalten werden kann.
Häufiges Händewaschen und Desinfizierung sind überall angesagt, der morgendliche Pflichtappell zur Temperaturmessung dagegen ist abgeschafft. Die geschieht jetzt buchstäblich im Vorübergehen bei jedem Verlassen des Schiffs, das nur zu 60 bis 70 % der normalen Kapazität belegt ist.
Weil das mehr Bewegungsspielraum schafft, gibt es auch großzügigere Sitzplatzvergaben im Theater. Selbstbedienung an den Buffets ist wieder erlaubt, an den Bars darf wie früher direkt am Tresen gesessen werden. Selbst Tanzen ist erlaubt – wenngleich nur draußen auf dem Pool-Deck, die Disco bleibt zu.
Fast alles wie früher
Kein Wunder, dass der Generalmanager der Mein Schiff 2, René Peter, entspannt vermelden kann: “Es gibt viele positive Kommentare zu den Regeln an Bord, und bisher hat sich nur ein Passagier beschwert, dass die ihm zu lax sind. Unsere Gäste halten sich fast ausnahmslos an die Gesundheitsvorschriften. Und wenn ausnahmsweise mal dagegen verstoßen wird, hilft ein freundlicher Hinweis, der übrigens sehr oft von anderen Passagieren kommt.”
So kennt das auch Lisa Voellmert, die Managerin der Landausflugsabteilung an Bord. Vor einem Jahr waren nur organisierte Ausflüge erlaubt mit der strengen Auflage, sich bloß nicht von der Gruppe zu entfernen. Wer mal schnell selbstständig einen Kaffee trinken oder Souvenirs kaufen ging, durfte nicht mehr zurück aufs Schiff. Das hat sich zur Freude der Gäste grundlegend geändert.
“Wir müssen deshalb keinen Passagier mehr nach Hause schicken”, sagt Lisa Voellmert heute. “In unseren Winterfahrtgebieten sind aktuell auch individuelle Landgänge weitestgehend möglich. Ich hätte nicht gedacht, dass wir so schnell fast wieder zur Normalität zurückkehren können.”
Tatsächlich geht es bei den Ausflügen wieder vergleichsweise locker zu. Wer mit den Reiseleitern des Schiffs im Regenwald von St. Lucia und den pittoresken Städtchen auf Curacao und Aruba unterwegs ist, mit dem Boot an die tollen Schnorchel-Spots vor Tortola oder an die Traumstrände von Barbados und St. Maarten fährt, hat genug eigene Bewegungsfreiheit, bleibt aber in die Hygieneregeln des Schiffs eingebunden.
Bei individuellen Ausflügen drücken die lokalen Touristenführer schon mal ein Auge zu, wenn die Fahrgäste im Taxi die Masken nicht richtig oder gar nicht tragen. Sie sind dringend auf Kundschaft angewiesen, denn die Menschen auf den karibischen Inseln hat Corona brutal getroffen: Über ein Jahr lag der Tourismus völlig brach, Hunderttausende verloren ihre Jobs.
Taxifahrer Alex, der vor dem Hafen von Philipsburg potenzielle Gäste anspricht und mit Preisen deutlich unter den offiziellen Tarifen wirbt, kämpft noch immer ums wirtschaftliche Überleben. “Ich muss billig sein, aber alles wird teurer, vor allem das Benzin”, klagt er. Jetzt ist er schon froh, dass endlich wieder Touristen kommen, die ihm eine Perspektive geben.
Das sehen die örtlichen Behörden offenbar ähnlich. Die Ein- und Ausreisevorschriften auf den meistens Inseln sind liberal, in der Regel reicht bei Landgängen das kurze Vorzeigen des Schiffsausweises.
Wo, wie auf Barbados, auch noch ein aktueller Corona-Test verlangt wird, hilft das Team um Schiffsarzt Dr. Oliver Grohs. In einer knappen Stunde nehmen seine Mitarbeiter am Vormittag gut 1.000 Passagieren die geforderten Antigen-Tests ab, am Abend schon liegen die fertigen Zertifikate für den Barbados-Ausflug am nächsten Tag in den Kabinen.
Passagiere haben es leichter als die Besatzung
Für Kreuzfahrt-Passagiere ist fast alles leichter geworden – viel leichter als für die Besatzung. Für die, so weiß Kapitän Todd Burgman, waren die zurückliegenden Monate “eine Katastrophe”.
Lange Monate waren sie ohne Job und Geld, und sie wieder aufs Schiff zu bekommen, war alles andere als einfach. Viele waren ungeimpft und mussten erst einmal die nötigen Spritzen erhalten.
Ohne Maske geht für Besatzungsmitglieder im öffentlichen Bereich auch jetzt noch nichts. Wenn Kapitän Burgman auf der Brücke steht, tragen auch er und seine Offiziere Maske. Sobald der örtliche Lotse kommt, ziehen sich alle sogar Handschuhe an.
Ebenfalls eingeschränkt wurden die Kontakte zu den Passagieren. Die beliebten Brückenführungen sind ebenso gestrichen wie alle Empfänge und Treffs mit dem Kapitän. Wer sich vorstellt, dass im Fall der Fälle vielleicht die halbe Schiffsführung in Quarantäne gehen müsste, wird die Vorsichtsmaßnahmen verstehen.
Flexibilität ist wichtig
Verständnis bei den Passagieren ist in Pandemie-Zeiten in vielerlei Hinsicht gefragt. Auch vorab bei Planung und Buchung, die nicht immer die Wunsch-Kreuzfahrt garantiert.
Unsere Test-Reise beispielsweise sollte eigentlich nach Asien gehen, doch die wurde einige Wochen vorher wegen der Corona-Lage vor Ort abgesagt. Auch beim Ausweichziel Karibik gab es wegen behördlicher Vorschriften und Beschränkungen in einigen Häfen noch kurzfristige Routenänderungen. Darauf weisen die Reedereien zurzeit vorsichtshalber besonders hin, und darauf sollten sich Passagiere schon mal einstellen.
Und was passiert, wenn das hoch ansteckende Omikron-Virus auch bei Kreuzfahrten stärker durchschlagen sollte? Vorhersagen lässt sich das nicht, doch dass Omikron Schiffsreisen gänzlich ausbremsen würde, ist nicht anzunehmen.
Schlimmstenfalls hält der Kreuzfahrt Experte Thomas P. Illes, der seit 30 Jahren die Kreuzfahrtbranche analysiert und berät, eine Rückkehr zu härteren Gesundheitsmaßnahmen an Bord und Restriktionen bei den Landausflügen für denkbar. Also die Rückkehr zum sogenannten Bubble-System, bei dem die Passagiere nur im Rahmen organisierter Ausflüge und abgeschottet von Einheimischen an Land dürfen.
Flexibilität ist in Zeiten der Pandemie immer angesagt, bei Reisen wie im täglichen Leben daheim. Wer sich auf unvermeidliche Eventualitäten einstellt und zudem die überall nötige Vorsicht walten lässt, kann seine Kreuzfahrt auch unter Corona-Bedingungen genießen.
Muss sie, wie in Lissabon oder Dubai, ausnahmsweise von der Reederei storniert oder abgebrochen werden, sind übrigens rein finanzielle Verluste nicht zu befürchten: Tui Cruises etwa erstattet ausgefallene Leistungen voll zurück und gibt für eine neue Buchung einen 20-%-Rabatt als kleines Trostpflaster.
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Text und Fotos: Joachim Hauck