Die Prager sind größtenteils Atheisten und trotzdem gibt es in Prag wunderbare Weihnachtsmärkte mit winterlichen Glanz. Gerade richtig für eine Städtereise. Denn zu Weihnachten ist hier alles anders…

Städtereise: Prag im winterlichen Glanz
Pater Juan von St. Thomas

Gebückt schleicht ein greiser Pater am Altar der Sankt-Thomas-Kirche, unweit der Prager Karlsbrücke, vorbei. “Er ist unser letzter Tscheche hier im Kloster”, sagt der 46-jährige Juan über seinen Mönchsbruder.

Juan ist Spanier, ganz in einer bodenlangen, schwarzen Ordenskutte gehüllt. Er wurde vom Vatikan aus dem heißen und gläubigen Brasilien ins winterkalte und ungläubige Tschechien entsandt, um die Fraktion der Augustiner-Mönche in Prag auf fünf aufzustocken.

Die Kirchen in Tschechiens Hauptstadt sind leer, oft sogar abgesperrt, die Klöster von ausländischen Ordensbrüdern beseelt und zusammen kämpfen sie alle ums Überleben.

Städtereise: Prag im winterlichen GlanzDenn in Tschechen spielt Religion – wie in keinem anderen Land Europas – so gut wie keine Rolle.

Nicht einmal 5 % der Tschechen gehen in die Kirche, gerade mal 10 %t der Kinder sind zum Religionsunterricht angemeldet, etwa zwei Drittel der Bevölkerung sind Atheisten und nur ein Drittel bekennt sich zum christlichen Glauben.

Wie beim Schwejk

Aber zu Weihnachten ist alles anders! Da ist nichts zu spüren vom Atheismus in Prag.

Weihnachten ist auch in Tschechien das wichtigste Fest des Jahres. Am Altstädter Ring herrscht Weihnachtsstimmung als sei man im nahen Nürnberg oder Dresden.

Denn die Tschechen halten es stets mit ihrem Schwejk: Ich glaube nicht dran, aber feiern tun wir trotzdem.

Doch wer würde auf die Frage, warum Weihnachten so schön ist, antworten: Weil es frische Karpfen mit Kartoffelsalat gibt, weil man Geschenke bekommt, ein paar Tage auf die Datscha fahren kann und faulenzen oder weil im Fernsehen die besten Filme laufen?

Und natürlich weil es so schöne Weihnachtsmärkte gibt.

In Prag praktisch in jedem Stadtviertel, wobei die fünf schönsten

Städtereise: Prag im winterlichen Glanzam Altstädter Ring (Staroměstské Náměstí),
am Wenzelsplatz (Václavské Námestí, beide 2. Dez. – 6. Jan.),
am Platz der Republik (Náměstí Republiky, 2. – 30. Dez.),
am Friedensplatz (Náměstí Míru, 20. Nov. – 24. Dez.) und natürlich
auf der Prager Burg (Hradčany, 2. Dez. – 1. Jan.)
zu finden sind.

Städtereise: Prag im winterlichen GlanzPrager Schinken brutzelt über dem offenen Feuer, traditionelle böhmische Handwerkskunst, böhmisches Glas oder Spitzen können erstanden und Weihnachtschören gelauscht werden.

Kein Besuch eines Weihnachtsmarkts ist perfekt, wenn man nicht das Walnuss-Gebäck Trdelník probiert hat, das über Holzkohle geröstet wird. Dazu ein heißer Glühwein und Weihnachten kann kommen.

Champagner und Canapés

Im “Four Seasons”, dem edelsten Hotel der Stadt, kann man die Adventszeit aber auch auf höchstem Niveau angehen.

Städtereise: Prag im winterlichen GlanzIn der Lobby begrüßt ein drei Meter hoher Weihnachtsbaum die Gäste, geschmückt von Maria Gracie Chiuri, Kreativdirektorin von “Dior”.

Städtereise: Prag im winterlichen GlanzBeim Afternoon Tea ab dem 3. Dezember gibt es prickelnden Champagner, feine Canapés, Scones und weitere kulinarische Überraschungen im weihnachtlichen Ambiente bei Live-Piano-Musik.

An Heilig Abend wird ein Fünf-Gang-Degustationsmenü aufgetischt und der 25. Dezember gleich mit einem Christmas Brunch begangen.

Ob wohlig im “Four Seasons” oder draußen auf dem Weihnachtsmarkt: “Jingle Bells” und Christbäume bestimmen die Prager Adventszeit. Doch die Stimmung ist ruhiger als in Deutschland.

Städtereise: Prag im winterlichen GlanzMan trifft sich nach der Arbeit auf eine Bratwurst und ein Bier – oder im “Four Seasons” beim Afternoon Tea, unterhält sich, hört der Weihnachtsmusik zu.

Im Winter huschen die Prager nicht nur schnell durch ihr Zentrum. Im Sommer machen sie das nur, wenn sie es unbedingt müssen. Etwa beim Gang zum neuen Rathaus am Marienplatz, der gerne Mafiánské Náměstí genannt wird, also Mafia- statt Marienplatz, weil dort der Oberbürgermeister residiert.

Der Sommer gehört den Touristen. Aber im Winter sind auch die Prager wieder in ihrer Altstadt zuhause. Die Abende kommen dann zuweilen einer echten “Silent Night” nahe.

Vielleicht kommt Rudolph?

Städtereise: Prag im winterlichen GlanzEs sei denn, man wirft sich ins Getümmel, denn den Shopping-Wahnsinn gibt es überall, auch in Prag, wo das “Palladium” mit seinen 200 Geschäften geschmückt ist wie ein Zuckerbäckerpalast und Na Příkopě mit Shops von adidas bis Zara oder die elegante, 660 Meter lange Pařízska mit dem ABC der Luxuswelt, mit Armani, Boss, Cartier, Dior und vielen anderen Labels, so weihnachtlich herausgeputzt sind, als käme der Weihnachtsmann mit Rudolph und Schlitten gleich selbst vorbei zum Shoppen.

Die Qualitätszeitung “Lidové Noviny“ titelte unlängst: “Die Tschechen glauben eher an ihr Horoskop als an Gott”. Aber feiern darf man ja trotzdem, sagen sich die Nachfahren des braven Schwejk und an den stimmungsvollen Weihnachtsmärkten ändert dies freilich auch nichts.

Pater Juan hat sich inzwischen seiner Kutte entledigt. Darunter trägt er Jeans mit Hemd. Er will auch auf den Weihnachtsmarkt: “Die Ordenstracht ziehe ich nur im Kloster an”, sagt er. “Wir leben doch nicht mehr im Mittelalter …”

Infos: www.prague.eu/de, www.fourseasons.com,
Reservierungen für die Weihnachts-Specials: Tel. +420 221 426 880.

Text: © Jochen Müssig
Fotos: © Four Seasons, © Jochen Müssig,

 

 

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