Wo kommt der Pflaumentoffel her? Es ist eine Weihnachtsgeschichte der besonderen Art, wie die die puppenkleinen Figuren aus Dörr- oder Backobst, schon im frühem 18. Jahrhundert als weihnachtliche Glücksbringer auftauchten und nicht nur Kinderherzen in ihren Bann zogen. Heute gibt es die Pflaumentoffel in zahlreichen Regionen Deutschlands und man kennt sie unter unterschiedlichen Namen, als Zwetschgenkrampus, Kletzenmännlein oder Hutzelmänner.
Wenn der Duft nach Glühwein, Kerzen und Tannengrün in der Luft liegt und Lichterketten die Welt in einen neuen Licht erscheinen lassen, naht für viele wieder die schönste Zeit im Jahr.
Jahrhunderte alte Weihnachtstraditionen verzaubern alle Jahre wieder und das Aroma von Spekulatius und Zimt lockt in die adventlich geschmückte Innenstädte, mit ihren zahlreichen Weihnachtsmärkten.
Der Dresdner Striezelmarkt
Einer der bekanntesten ist dabei der älteste Weihnachtsmarkt Deutschlands – der Dresdner Striezelmarkt. Doch dies ist letztlich einer von vielen im Land der Sachsen, dass nicht umsonst als das Weihnachtsland bezeichnet wird.
Gegründet 1434 verdankt er seinen Namen dem Hefestriezel, längst berühmt als Dresdener Christstollen. Alljährlich ist ihm zum Stollenfest, am Samstag vor dem 2. Advent, ein riesiger Festumzug gewidmet.
Traditionelle Handwerksarbeiten aus Dresden und Umgebung wie Pyramiden, Räuchermänner, Schwibbögen, Töpferwaren und Herrenhuter Adventssterne bezaubern die Gäste. Veranstaltungen wie Weihnachtssingen in Kirchen und auf Plätzen, Mettenschichten, Bergaufzüge und Weihnachtsmärkte aller Art reihen sich im „sächsischen Adventskalender“.
Schornsteinfeger bringen Glück
Allgegenwärtig ist dabei der in vielen Formen angebotene Pflaumentoffel. Begonnen hatte das, so die Chronisten, als zur Winter- und Weihnachtszeit die “Meißnischen und böhmischen Obsthändler” ihre Backpflaumen anboten.
Diese Süßigkeit wird noch heute aus getrockneten oder gebackenen Pflaumen hergestellt und nicht nur auf dem “Dresdner Striezelmarkt” alljährlich zum Verkauf angeboten. Da erwacht der Pflaumentoffel sogar als Märchenfigur zum Leben. Es gibt auch ein „Pflaumentoffelfest“. Heute findet man natürlich neben den Pflaumenmännern auch die dazu gehörenden Frauen.
Doch ihre Geschichte beginnt, so berichten es die Chroniken, bereits im 18. Jahrhundert. Im Jahre 1801 wurde der Pflaumentoffel, dessen Name sich aus den Worten Pflaume und Feuerteufel zusammensetzt, zum ersten Mal urkundlich erwähnt.
Zu dieser Zeit verkauften die sogenannten “Striezelkinder” den Pflaumentoffel auf dem Dresdener Striezelmarkt. Im Jahre 1809 sah der sieben Jahre alte Wilhelm von Kügelgen, so heißt es, an einem Stand auf dem Dresdner Striezelmarkt den Schornsteinfeger aus Backpflaumen.
Der uns bekannte Pflaumentoffel ist ein Vermächtnis harter Kinderarbeit aus dem 17. Jahrhundert. Aus der sächsischen Geschichte glaubt man zu wissen, dass die Pflaumenmänner den Schornsteinfegern, den sogenannten Kaminkehrern und deren Gehilfen, kleine kräftige Jungen von gerade mal sechs, sieben oder acht Jahren – die “Schlotfeger” – nachempfunden waren.
Nach kurfürstlich-sächsischer Erlaubnis durften ab 1653 Schornsteinfeger siebenjährige Knaben einstellen. Natürlich kamen für diese schmutzigen, halsbrecherischen und der Gesundheit nicht gerade förderlichen Arbeiten nur die Kinder armer Leute, oftmals gar Waisenkinder, in Betracht.
Die Kinder halfen dem Schornsteinfeger noch bis Ende des 19. Jahrhunderts, indem sie in die “Essen” stiegen und den Ruß abkratzten. Weil ungereinigte Kamine in Häusern häufig Brände verursachten, sprach man von „Glück“, wenn der Kamin gekehrt war und damit eine Gefahr gebannt schien. Damit avancierte der Schornsteinfeger bis heute zum Glücksbringer.
Was damals in Sachsen galt, das galt auch für andere Regionen und Länder. Deshalb waren die ersten Pflaumentoffel auch kahlköpfig, hatten einen Besen und kindliche Proportionen. Also wurden die kleinen Schornsteinfegerjungen als Vorbilder für Basteleien an langen Herbst- und Winterabenden genutzt.
Erst mit der Zeit wurden die Figuren dann zu erwachsenen Schornsteinfegern. Ihre Beliebtheit ergab sich daraus, dass Backpflaumen lange Zeit die einzige erschwingliche Süßigkeit für das Volk waren.
Literaten wie Hoffmann von Fallersleben (1798-1874), Maler wie Ludwig Richter machten sie zum Thema. In Zeichnungen und Holzschnitte aus jener Zeit wurden sie oft dargestellt. 1863 entsteht Richters Holzstich “Vom Christmark in Dresden”.
Der Pflaumentoffel besteht aus getrockneten oder gebackenen Pflaumen, auf Holzstäbchen gesteckt und miteinander verbunden. Eine bemalte Kugel dient als Kopf. Als die Kinder nicht mehr für die Reinigung der Essen eingesetzt wurden, bekam der “moderne” Pflaumentoffel einen Zylinder und eine goldene Halskrause.
Einheimisches Dörrobst
Heimatkundliche Forschungen haben ergeben, dass wir heute aus Österreich die Zwetschken- und auch Kletzenkrampusse kennen, aus Berlin die Rosinenfiguren und Pflaumenkerle.
Die Sachsen haben verschiedene Bezeichnungen wie Pflaumentoffel (Name ab ca. 1890); vorher “Menschen aus Backpflaumen”, “Schornsteinfeger von gebackenen Pflaumen”, “Pflaumenfeuerrüpel” (kurz „Pflaumenrüpel”). Im Erzgebirge hießen sie auch „Pflaumenbengel” oder „Pflaumenpopel”.
In Tschechien und der Slowakei gibt es einige Orte, in denen noch heute Teufel sowie Männlein und Weiblein aus Pflaumen gebastelt werden. Diese dienten einst sogar als Kinderspielzeug. Ursprünglich dienten die „Pflaumentoffel” nicht als Spielzeug. Vielmehr waren und sind es auch heute Figuren aus dem Brauchtum zu bestimmten Anlässen.
Hervorgegangen als Produkt des einheimischen Obstes, waren und sind die Pflaumen und Zwetschgen nicht nur Grundlage für Figuren, sondern auch Bestandteile der regionalen Küchen. Gerade die Backpflaumen sind es, die in verschieden Speisen zur Geschmacksverbesserung beitragen und in der Fastenzeit als Backobst Verwendung finden.
Gerade zur Weihnachtszeit sind es die Füllungen der Weihnachtsgänse oder Enten, in deren Zubereitung traditionell die Backpflaumen vorkommen. Auch für süße Sachen, Müslis und Leckereien sind Backpflaumen geradezu prädestiniert.
Wer mehr über den Pflaumentoffel und sein Geschichte und Geschichten erfahren will, sollte das Buch von Roland Hanusch “Sächsische Pflaumentoffel – Schwarz, klebrig und zuckersüß” lesen. Der aus dem sächsischen Freital stammende, pensionierte Lehrer Roland Hanusch hat über 100 dieser Figuren zu einer umfangreichen Sammlung zusammengetragen. Er beschäftigt sich seit Jahren mit ihrer Geschichte. Sein ältestes Stück ist über 41 Jahre alt.
Natürlich sollte der Besuch einer der zahlreichen sächsischen Weihnachtsmärkte nicht ohne den Erwerb einer der Pflaumentoffel enden, sind sie doch eine liebenswerte Erinnerung an die Geschichte der “Zwetschkenkerle oder Kletzenmännlein” und die Vorweihnachtszeit.
Text und Fotos: Dr. Michael Polster