Auf kulinarischer Tour durch Paris lässt sich erleben, wie aufwendig die Herstellung von Lebensmitteln oft ist. Aber auch, wie sich Kunst und Kreativität zu wunderbaren Geschmackserlebnissen verbinden. Hier unser Reisebericht aus der hauptstadt der Genüsse.
Sie sind rund, quietschebunt, süß, lecker. Und teuer. Für ein kleines Macaron, zwei Hälften mit Füllung, vielleicht vier Zentimeter im Durchmesser, merh als zwei Euro hinlegen, mindestens?
Zwei Gründe gibt es dafür: einmal, weil sie eben wirklich unglaublich lecker, leicht, luftig sind.
Der zweite Grund wird evident, wenn man selbst einmal Macarons produziert hat.
Das ist eine Kunst, eine Wissenschaft, mit der wir uns näher beschäftigen wollen. Denn wir sind eine Gruppe von genusssüchtigen Paris-Besuchern, die den Ruf der französischen Metropole als kulinarische Welthauptstadt, als die sich selbst gern sieht, testen wollen.
“Le Foodist” in der rue du Cardinal Lemoine im Quartier Latin ist dafür die erste Anlaufstation. Seit vielen Jahren bietet das Studio mit dem programmatischen Namen Kurse an, die als Koch- oder Backkurse zu bezeichnen unangemessen wäre. Unangemessen, denn hier wird praxisnah zelebriert, was die herausgehobene Stellung von Paris in der Welt der Kulinarik ausmacht. Wir entscheiden uns für die Patisserie, die Herstellung von Macarons, Pariser Makronen. Und sind erst einmal überrascht, dass wir keine gemütliche Backstube betreten, sondern ein chromblitzendes Hightech-Studio.
Das passt zu der elaborierten Technik, mit der die kleinen Köstlichkeiten entstehen. Aufs Gramm genau abgewogen werden die Zutaten, aufs Grad genau werden sie erhitzt, nichts wird dem Zufall oder gar dem Gefühl überlassen, denn Macarons sind überaus empfindlich.
Unsere Kreativität beschränkt sich zunächst einmal auf die Auswahl der Farben. Später wird es individuell, als wir die fertige Masse mit der Spritztüte aufs Backpapier setzen – so richtig rund läuft es nicht immer. Auf die Sekunde genau wird schließlich die Backzeit eingestellt. Das fertige Ergebnis kann sich sehen lassen: bunt wie im Laden, lecker – und vor allem selbstgemacht!
Dann geht es mit “Guide du goût“ auf Genussreise. Der Veranstalter ist spezialisiert auf geführte kulinarische Touren durch Paris, mit so wunderbaren Stationen wie Benoit Chocolats oder Profiterole Chérie, wo die unglaublichsten süßen Sachen hergestellt werden.
Es geht zu Metzgern, Bäckereien, Käsegeschäften. Probieren ist überall angesagt, Kalorienzählen verboten. Dafür gibt es Einblicke, wie kompliziert oft selbst die kleinsten Kleinigkeiten sind.
Kulinarischer Wandel
Da wir immer wieder nach Paris kommen, erkennen wir auch hier einen kulinarischen Wandel.
Anstatt im Restaurant zu sitzen, wird nun oft an der Theke auf einem der zahlreichen Märkte, an gemütlichen Tischen in den beliebten Feinkostgeschäften oder sogar in Kunstgalerien gegessen.
Einem ebenfalls neuen Trend – dem One Pot-Gericht – folgen zahlreiche neue Restaurants in der französischen Hauptstadt. Frische Zutaten werden in einem Topf gekocht und in kurzer Zeit serviert.
Sei es eine Reispfanne, ein leckeres Pastagericht oder buntes Gemüse in einer schmackhaften Soße.
Einen Boom erfährt auch die alte Kaffeetradition. Aus vielen Cafés in Paris strömt der Duft frisch gemahlener und zubereiteter Kaffeebohnen.
Nach Coffee-to-go wird nun wieder mehr Wert auf das Produkt und die Zubereitung des braunen Getränks gelegt. La Brûlerie de Belleville ist z. B. bekannt für den besten Kaffee der Stadt, egal ob als Espresso, Cappuccino oder Filterkaffee. Passend dazu gibt es lockere Brioches und andere köstliche Kuchen und Gebäck.
Rungis – eine Welt für sich
Welch ungeheure Mengen Lebensmittel täglich in Paris verarbeitet werden, lässt sich kaum erahnen. Vielleicht gibt es Statistiken. Aber die können nicht so anschaulich sein wie ein Besuch an dem Ort, von dem aus Obst und Gemüse, Fleisch und Fisch, Käse und Wein und all die anderen Köstlichkeiten ihren Weg in die Geschäfte und Restaurants finden.
Am frühen Morgen geht es nach Rungis südlich von Paris. Rungis als Großmarkt zu bezeichnen, wäre höchst unangemessen. Rungis ist eine Stadt.
Sie besteht aus einem System von Straßen, die eine große Anzahl von Großmarkt- und anderen Hallen miteinander verbinden. Über 500 Großhändler arbeiten hier und ebenso viele Dienstleister. In der Nacht und den frühen Morgenstunden rollt eine gewaltige Armada von Kühl- und anderen LKWs mit 2,5 Millionen Tonnen von Lebensmitteln aus ganz Europa nach Rungis hinein und ebenso von Rungis in alle Teile Europas hinaus.
Wir hatten Glück, wir durften eine Führung durch das Reich der Sinne erleben. Leider werden momentan keine Führungen mehr angeboten. Ob und wann das wieder geht, ist noch nicht bekannt.
Uns werden weiße Plastikkittel verpasst, peinlichste Hygiene ist oberstes Gebot in der Lebensmittelstadt. Dann geht es durch die eiskalten Hallen.
Wer sich nicht zur Familie der Carnivoren zählt, empfindet wohl Beklemmung in der Fleischhalle, wo Tiere im Sekundentakt verarbeitet werden. Dennoch ist nur wenig Blut zu sehen.
Äußerste Effizienz ist gefragt, das Geschäft mit Lebensmitteln ist harte Arbeit und steht unter permanentem Zeitdruck. Für uns Besucher, die sich etwas fehl am Platz vorkommen und dauernd im Weg stehen, sind gerade die Fleischhallen aber auch ein Ort der Ehrlichkeit.
Hier ist kein Platz für Naturidylle: So wird unser Essen erzeugt. Wer Tiere isst, muss das ertragen können.
Wie viel angenehmer ist da erst die Käsehalle! Regale über Regale mit duftenden, reifenden Laiben. Das Probieren allein ersetzt fast das komplette Frühstück.
Sterneküche sollte auch mal sein
Aber es gehört ebenso dazu, den Weg einzelner Lebensmittel von Rungis auf die Teller in Pariser Nobelrestaurants zu verfolgen.
Champeaux ist die zeitgenössische Pariser Brasserie, die von Alain Ducasse uentworfen wurde. Gegenüber der Kirche Saint-Eustache im 1. Arrondissement in Paris gelegen, mit Blick auf den Garten Nelson Mandela, erwartet uns Champeaux wieder unter der Canopée des Halles.
In diesem modernen Bistro mit einem großen, hellen Saal mit 180 Plätzen kann man sich in aller Ruhe niederlassen und sich an guten Gerichten erfreuen, die nach allen Regeln der Kunst zubereitet werden.
Industrielles Ambiente, kleine und große Tische, Theken und Bänke – hier gibt es für jeden etwas. Uns gefällt die große zentrale Bar, die uns gegenüberliegt, die Plakatwand im Stil einer Zugankunftsankündigung und das rege Treiben, das den Ort belebt.
Edlen Champagner sollten Sie am besten über den Dächern der Stadt – sei es in der Bar à Champagne auf dem Eiffelturm oder im Restaurant Ciel de Paris in der 56. Etage des Tour Montparnasse – genießen.
Am Abend, wenn die von den Eishallen in Rungis durchgefrorenen Knochen wieder auf Betriebstemperatur sind, steht der abschließende und krönende Besuch in einem der zahlreichen Sternerestaurants der französischen Hauptstadt an. Die Wahl fällt auf den Pavillon Ledoyen von Yannick Alléno, der mit drei Michelin-Sternen dekoriert ist.
An den Champs-Élysées, etwas zurückgesetzt im Park gelegen, verspricht der Gourmettempel ein besonderes Erlebnis. Spannend die Frage, ob der Unterschied von drei Sternen zu einem oder zwei tatsächlich zu schmecken ist. Er ist!
Bei Fine gelée d’un jambon ibérique und diversen Genüssen, die aus dem Französischen zu übersetzen eigentlich zu profan ist, zeigt sich die Raffinesse des Gourmet-Unternehmens von Yannick Alléno. Ein Gläschen mit Spinatessenz: Das schmeckt wie die Essenz von Spinat, so wie man Spinat noch nie geschmeckt hat. Dass dieses exzellente Dinner von ebenso exzellentem Champagner und Weinen begleitet wird, versteht sich von selbst.
Nach so feinen Genüssen, die man eh nicht alle Tage genießen kann (auch der Geldbeutel gibt das nicht her), steht uns zum Abschluss der Sinn nach einem einfachen, kräftigen Schluck Bier.
In der Hauptstadt hat sich seit einigen Jahren eine nicht gerade typisch französische Bierkultur entwickelt, auch der internationale Trend zu Mikrobrauereien hat hier Station gemacht.
Wir landen bei der Brasserie BAPBAP, bei der in einem alten Fabrikgebäude junge Leute sich mit Begeisterung an die Erfindung immer neuer Biere machen. Der stolze Spruch „Brassée à Paris, Bue à Paris“ – in Paris gebraut, in Paris getrunken – ist Hinweis auf einen Anspruch, der auch zum französischen Präsidenten Emmanuel Macron passt: Paris, Frankreich erfindet sich neu.
Ein weiteres Mekka für Feinschmecker ist das Elsass. Hier unser Elsass.
Text: Bernhard Mogge, Annemarie Heinrichsdobler
Fotos: ©Paris-Tourist-Office-Photographe-Marc-Bertrand (1x), ©Paris-Tourist-Office-Photographe-Amélie-Dupont (2x), ©Bernhard Mogge (4 Bilder), ©Edmund Heinrichsdobler (8 Bilder)