Aus der Gourmet-Perspektive schlummerte Prag lange im Dornröschenschlaf und bot höchstens Deftiges in großen Portionen. Dabei war „die goldene Stadt“ vor nicht allzu langer Zeit noch eine Hochburg des guten Geschmacks.
Als die Tschechin Marie Svobodová 1880 das Buch „Kochschule“ veröffentlichte, in dem sie die komplexen Zubereitungsarten und raffinierten Rezepte ihrer Heimat zusammenfasste, befand sich die böhmische Küche auf ihrem Höhepunkt und galt weit über die Landesgrenzen hinaus als kulinarisches Vorbild.
Neue Prager Küche
Inspiriert von der böhmisch-mährischen und slowakischen Küche und mit viel Sinn für kreative Details zaubert Oldřich Sahajdák Augen- und Gaumenfreuden auf höchstem Niveau, zum Beispiel Prager Schinken mit Himbeerschaum oder Suppe aus gedünstetem Rebhuhn auf Petersilienöl.
Bei den Zutaten achtet er auf Bio-Qualität und die Herkunft aus kleinen Zuchtbetrieben von regionalen Qualitätsproduzenten.
Wie lange sind Sie schon im La Degustation Bohême Bourgeoise tätig?
Das Restaurant wurde am 26. Juli 2006 eröffnet, dem Tag, an dem mein Sohn geboren wurde – ich bezeichne es also immer als meinen zweiten Sohn!
Wollten Sie schon immer Koch werden?
Meine Eltern und Großeltern waren alle Köche und Chefköche, ich bin also mit dem Essen aufgewachsen. Als kleines Kind war ich immer derjenige, der die Gerichte zum Probieren bekam und die Schüssel abschleckte.
Sie haben sich durch die Welt getrieben…?
Ja, ich wollte die Welt kennenlernen – denn ich wusste, dass es für einen Koch immer und überall einen Job gibt. Zuerst ging ich nach Deutschland, dann nach Neuseeland, in die USA, nach Italien und Portugal.
Was hat Sie nach Prag zurückgebracht?
Mir wurde eine Stelle als Forschungs- und Entwicklungskoch bei der Ambiente-Gruppe hier in Prag angeboten. In dieser Position habe ich u.a. die großen Cafés in Wien besucht, um mich inspirieren zu lassen, als sie das Café Savoy eröffnen wollten, und habe in Neapel recherchiert, bevor sie ein Pizzarestaurant eröffneten.
Wie sind Sie auf die Idee für das La Degustation Bohême Bourgeoise gekommen?
Ich war in der berühmten, mit drei Michelin-Sternen ausgezeichneten French Laundry in Yountville gewesen und sehr angetan von allem, was dort gemacht wurde. Ich hatte das Gefühl, dass es hier in Prag an der Zeit war, etwas Ähnliches zu eröffnen – ein schickes Restaurant, in dem nur die besten lokalen Produkte verwendet werden und in dem die Gäste gut betreut werden. Die Eigentümer der Ambiente-Gruppe erklärten sich bereit, meine Geschäftspartner zu werden – und seitdem bin ich hier.
Was beeinflusst Ihren Kochstil?
Ich blicke zurück auf die Geschichte dieses Landes und auf das, was ich die mitteleuropäische Republik nenne – die alte österreichisch-ungarische Monarchie, wenn Sie so wollen. Ich nehme traditionelle Gerichte und Zutaten aus diesen Ländern und mische sie mit moderneren Techniken. Eine der wenigen Zutaten, die wir von außerhalb mitbringen, ist Trüffel; ob Sie es glauben oder nicht, die gab es vor vielen Jahren in Prag – aber jetzt nicht mehr.
Wie entwickeln Sie Ihre Gerichte?
Wir arbeiten mit den Jahreszeiten und ändern die Speisekarte jeden Tag ein wenig. Wir sehen morgens, was auf den Märkten und bei den Lieferanten erhältlich ist, und erstellen daraus unser Menü. Wenn wir ein neues Gericht kreieren, hat jeder Einzelne in der Küche einen Beitrag zu leisten.
Ich persönlich möchte auch, dass meine Gerichte eine Geschichte erzählen. Ich bevorzuge es, eine Zutat so zu servieren, dass sie ihren Lebensraum widerspiegelt. Fisch zum Beispiel hat immer eine Sauce, weil er einst im Wasser schwamm, und Fleisch wird mit Kräutern und Gräsern serviert, weil er einst auf den Feldern herumlief.
Haben Sie Lieblingszutaten?
Ja! Ich liebe Schweinefleisch, Äpfel, Zwiebeln und Honig, und Sie werden fast immer einige oder alle dieser Zutaten auf der Speisekarte finden. Wenn es um Fleisch geht, kaufen wir immer das ganze Tier und schlachten es selbst. Das bedeutet, dass wir alle Teile des Tieres verwenden können – und deshalb stehen Innereien so regelmäßig auf der Speisekarte.
Wollen Sie das Kaninchenragout mit Gerstenklößchen von Oldřich Sahajdák nachkochen?
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