Einige Werke in der umstrittenen Bührle Sammlung, die der neu eröffnete Chipperfield-Anbau im Kunsthaus Zürich beherbergt, gelten als Raubkunst. Warum wird kein Ort der Erinnerung und Aufarbeitung nationalsozialistischer Vergangenheit daraus?
Das Kunsthaus Zürich eröffnete im Herbst 2021 den neuen Chipperfield-Anbau nach 12 Jahren Planung und Bauzeit. Der Anbau kostete über 200 Millionen Franken. Mit der Neueröffnung des Anbaus ist das Kunsthaus Zürich das größte Kunstmuseum der Schweiz.
Der monumentale Anbau des Star-Architekten David Chipperfield beherbergt die umstrittene Bührle-Sammlung. Die Übernahme der Sammlung des Waffenfabrikanten Emil Bührle, der auch mit Nazi-Deutschland Geschäfte machte, erntete nicht erst neuerdings Kritik. Einige der Kunstwerke sind klar als Raubkunst identifiziert.
Umstritten: Bührle Sammlung
Ebenso harsch ist die Kritik an der diesbezüglichen Misskommunikation des Deutschen Christoph Becker, seit 20 Jahren Direktor des Kunsthaus Zürich. Ablösen wird ihn 2023 Ann Demeester, erfolgreiche Direktorin des Frans-Hals-Museums in Haarlem.
In der Neuen Zürcher Zeitung ist folgender Lösungsansatz zu lesen: “Warum eigentlich macht man aus dem Chipperfield-Bau nicht einen schweizerischen Erinnerungsort, der an die komplizierten Verstrickungen der Schweiz mit dem nationalsozialistischen Deutschland erinnert?” (Kommentar von Christoph Heim, 02.01.2022: Es reicht jetzt, Herr Becker! Übergeben Sie das Zepter an Ann Demeester!, NZZ) Becker erhielt für seine Vogel-Strauß-Taktik und die ihm vorgeworfene Fehlinformation der Öffentlichkeit kürzlich sogar eine Zurechtweisung via Anwalt vom Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses Ronald S. Lauder.
Bleibt zu hoffen, das Ann Demeester die Umgestaltung der Sammlung Bührle zu einem Ort der schweizerischen Erinnerungskultur gelingt. Die Sammlung Bührle enthält Klassiker der Moderne und weltberühmte Gemälde des französischen Impressionismus von Manet, Cézanne, Van Gogh oder Monet. Von Monets Seerosenbildern ist ein drittes neu dazu gekommen.
Chagall im Kunsthaus Zürich
Doch es wäre schade, das Kunsthaus Zürich auf die Bührle Sammlung zu reduzieren. Das Museum bietet zahlreiche weitere Sammlungen wie die von Gustav Zumsteg.
Die zahlreichen Bilder von Marc Chagall im Kunsthaus Zürich wurden fast ausnahmslos von Chagalls Familie und anderen großzügigen Gönnern wie Gustav Zumsteg (1915-2005) geschenkt.
Doch wie kamen diese Bilder zum Sammler? Zumstegs Restaurant Kronenhalle wurde schnell zum Künstler-Treffpunkt. Auch auf seinen Reisen machte er sich Freunde in der Kunst- und Modewelt. Viele Werke tragen persönliche Widmungen und geben Zeugnis von inniger Zuneigung der Künstler für ihren Gastgeber und Gönner.
Den Anfang seiner zahlreichen Schenkungen an das Kunsthaus machte ein Gemälde von
Marc Chagall: „La fenetre sur l´Ile de Bréhat“ aus dem Jahr 1924. „Wir entdecken in seinen Werken wesentliche Werte des Lebens. Instinkt, geistige Substanz und tiefe Religiosität verbunden mit Herzensgüte durchdringen sich hier aufs innigste“, hat Gustav Zumsteg über Marc Chagall gesagt.
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Text: Verena Wagner
Fotos: ProLitteris, Zürich, Verena Wagner