Muscat, die Hauptstadt des Oman, erscheint wie der Gegenentwurf zum Größer-, Höher-, Weiter-Anspruch von Dubai. Zu Gast in einer arabischen Stadt ohne Schminke.
“Mag sich die Welt ringsum im Sauseschritt verändern, bei uns im Oman dauert alles ein bisschen länger”, sagt Imam, Stadtführer für deutsche Touristen in Muscat, 27 Jahre alt und traditionell in weißer Dishdasha gekleidet.
“Ich weiß: Oman, das klingt auch im 21. Jahrhundert für Sie noch immer nach 1001 Nacht. Und es stimmt: Bis 1970 war mein Land von der Außenwelt fast völlig abgeschottet.”
Als sei es für den kleinen Vortrag eingeplant, klingelt sein nagelneues Iphone, “aber”, so fährt Imam fort und zeigt auf sein Handy, “die Moderne hat auch bei uns Einzug gehalten. Nur das aus Dubai bekannte Größer, Höher, Schneller, Weiter: Das machen und wollen wir nicht … Blos das nicht!”
Gegenentwurf zu Dubai
Tatsächlich stellt man auf den ersten, spätestens beim zweiten Blick fest: Muscat erscheint wie der Gegenentwurf zu Dubai.
Das spektakulärste Gebäude in Muscat ist ein übergroßer Weihrauchbrenner, der daran erinnert, dass der beste Weihrauch der Welt aus dem Oman kommt.
Ansonsten beherrschen flache Bauten das Bild, gastfreundliche, unaufgeregte Menschen und so manche Tradition.
Sogar der Basar erlaubt sich eine mittägliche Schließzeit und wäre nicht gerade die “Mein Schiff”“ zu Gast, würde nur die große Jacht des Sultans die Holz-Dhaus und Fischkutter im Hafen überblicken.
Muscat ist trotz aller Modernisierungen arabisch und authentisch geblieben. “Ihr Deutschen wollt ja immer alles genau wissen und stellt Fragen über Fragen …”
Imam wird unterbrochen. Was denn sein Name eigentlich bedeuten würde? “Imam”, sagt Imam, “heißt übersetzt Unabhängigkeit.” Er strahlt übers ganze Gesicht …
Es ist zehn Uhr und im hinteren Teil des Hafens hat sich die frühmorgendliche Hektik schon etwas gelegt. Dafür bleibt etwas Zeit für ein Schwätzchen.
Saif – übersetzt: das Schwert – ist Händler auf dem Fischmarkt. Der Pakistani verkauft Barsche, Snapper, Goldbrassen, Thunfische.
“Für mich ist hier in Muscat alles zehn Mal besser als früher in Karachi. Ich verdiene genug Geld für meine Familie und habe meine Ruhe. Mehr brauche ich nicht.”
Saif hat einen Arbeitsausweis, so etwas wie die Green Card des Sultanats, und weiß, dass es illegal arbeitenden Landsmännern zwar nicht so gut geht wie ihm, aber “auch die finden Jobs, wenngleich manchmal nur für 150 bis 200 Euro im Monat”.
Die Behörden drücken häufig beide Augen zu. In Dubai werden ausländische Arbeiter und Angestellte nach Vertragsende binnen zwei Wochen abgeschoben.
So intensiv der Geruch in der Fischhalle ist, so intensiv anders ist er bei “Amouage”, die bekannteste und teuerste Marke arabischer Parfüms. In Muscat befindet sich die einzige Produktionsstätte weltweit.
“Auch wir sind moderner geworden”, sagt Amina, in Muscat geboren und in eine schwarze Abaya gehüllt, aber auch perfekt geschminkt. “Bis 2007 hatten wir nur drei Hauptingredenzien für unsere Parfüms: Weihrauch, Rose und Amber. Jetzt nutzen wir auch diverse Zitrusfrüchte und verkaufen unsere Parfüms weltweit: 60 Prozent gehen in die USA, nach China und Europa.”
Jedes Flacon ist handabgefüllt und Amina, ganz Verkäuferin, scheint jeden der Düfte zu lieben. Sie gehört zu den jungen Frauen im Oman, die es schätzen, dass sie ohne Einwilligung von Ehemann oder Vater arbeiten, verreisen und Auto fahren dürfen. Sie befürwortet den “Weg der behutsamen Modernisierung, ohne unsere Traditionen zu verlieren”.
Drei Viertel der Omani sind Ibaditen. “Wir erheben keinen Wahrheitsanspruch, gewähren Glaubensfreiheit und Mäßigung wie Toleranz sind zwei wichtige Säulen unserer Islam-Auslegung”, sagt Amina.
Dieser Tage in die arabische Welt reisen?
In den Oman kann man das unbedenklich tun. Wer auf Superlativ-Hotels verzichten kann (oder will), findet gerade in der Hauptstadt schöne Hotels jeder Preiskategorie und Hotels “mit Gesicht”, wie Mohammed meint.
Er ist Porter im “Kempinski” am sechs Kilometer langen Strand Al Mouj. Die Hülle des Hotels sieht zwar so futuristisch aus, als wäre die irakische Stararchitektin Zaha Hadid am Werk gewesen, doch die mit schneeweißem Marmor gebaute Lobby ist durch und durch arabisch. Die weißen Säulen schwingen sich sanft nach oben wie Lilien und geben einem das Gefühl, in einem omanischen Palast zu weilen.
Kein höher, größer, weiter und kein Blick auf eine Skipiste (!) wie im “Kempinski Mall of the Emirates” in Dubai.
Mohammed, in einer hellblauen Dishdasha gekleidet, scheint die große weite Welt in seinem Fünf-Sterne-Hotel zu lieben.
Stolz bringt er die Gäste zur Rezeption, über der ein Gemälde des jetzigen Sultans und dem verstorbenen Vorgänger hängt: “Sultan Qabus haben wir alles zu verdanken”, sagt Mohammed mit Blick auf den Vater der Nation. Er strahlt wie zuvor der Stadtführer mit Namen Unabhängigkeit. Fürs Foto holt er noch zwei Kollegen. Er allein mit den beiden Herrschern: Das gehe doch nicht …
Infos zu Muscat und in den Oman reisen
Anreise: mit KLM oder Air France via Amsterdam oder Paris ab 500 Eurowww.airfrance.de). Flugzeit 7, Zeitdifferenz 3 Stunden
Einreise: kein Visum bis 2 Wochen Aufenthalt und keine besonderen Gesundheitsvorschriften
Geld: Landeswährung ist der Rial, ein Euro entspricht gut 0,40 Rial. In Muscat gibt es Geldautomaten und Kreditkarten werden weitgehend akzeptiert
Reisezeit: warme Winter (20 bis 25 Grad) und sehr heiße Sommer (40 Grad und mehr)
Unterkunft: Kempinski, Luxushotel direkt am Strand, mit top-Restaurants, Pools, Spa, DZ ab 250 Euro (www.kempinski.com). Park Inn, zweckmäßiges Stadthotel, DZ ab 130 Euro (www.radissonhotels.com). In den Bergen auf 2000 Metern Höhe: Anantara Al Jabal Al Akhdar, Mountain-Resort mit überwältigender Lage und Aussicht, DZ ab 300 Euro
Text. Jochen Müssig
Fotos: Jochen Müssig