„Unfälle“ und „Katastrophen“ an der Tafel souverän zu meistern, ist immer dann nicht ganz einfach, wenn die „große Unbekannte“ ins Spiel kommt. Hier einige Tipps für Missgeschicke bei Tisch von Susanne Helbach-Grosser, Chefin des ältesten „Benimm“-Instituts im deutschsprachigen Raum Takt & Stil.
Reservierung und Start des Abends
Oft beginnt der „Stress“ schon mit dem Anruf im Restaurant. Absprachen sind der Klarheit halber mit Datum zu treffen. Wenn die Reservierung verschlampt wurde, schuldet der Wirt Schadenersatz, z. B. Taxifahrten für einen Lokalwechsel.
Bei der Ankunft sollte gleich der Oberkellner informiert werden, wer der/die GastgeberIn ist und ob getrennte Rechnungen erwünscht sind. Das erspart ein Durcheinander bei der Rechnungsstellung.
Um zu einer Servicekraft durchzudringen hilft Blickkontakt und eine freundliche Handbewegung weiter, anstatt durchs Lokal zu rufen oder mit dem Finger zu schnippen.
Besteck-Not
Rutscht die Serviette während des Essens runter oder ein Besteckteil fällt zu Boden, sollte der Gast nicht abtauchen, um danach zu angeln.
In der Trüffelklasse vergehen keine 60 Sekunden und schon wird eine frische Serviette auf Tablett und mit Zange gereicht. In der Kneipe um die Ecke sollte höflich nach Ersatz gefragt werden.
Ist zu einem Gericht kein Besteck eingedeckt und es wird eine Fingerbowle gebracht, können die Speisen, z. B. Miesmuscheln, auch mit der Hand gegessen werden.
Wer ein falsches Besteckteil genommen hat, wartet bis die Servicekraft das entsprechende nachgedeckt hat.
Fällt ein gefülltes Glas um, ruft man den Ober, er deckt mit „Kleckerdecken“ ab. Wer einen Tischnachbar bekleckert, sollte die Übernahme der Reinigungskosten anbieten.
Gastgeberpflichten
Das Menü wählt meistens der Gastgeber aus. Deshalb sollte der Eingeladene diesen frühzeitig auf Allergien oder Aversionen hinweisen.
So kann das Essen und das Gespräch genossen werden, ohne Gedanken wie: Wenn ich das jetzt esse, wird mir speiübel, soll ich’s einfach stehenlassen? Aber dann ist mein Gastgeber vielleicht verletzt, außerdem wäre es ja Verschwendung…
Also: Stets vorher auf Unverträglichkeiten und Abneigungen aufmerksam machen. Lassen Sie als Gastgeber Ihre Gäste bei À-la-carte-Bestellungen nicht über den Preisrahmen im Unklaren.
Wohin mit dem Olivenkern?
Wurm im Salat gefunden? „Im Restaurant ein frisches Gericht geben lassen, im privaten Kreis habe ich damit meine Schwierigkeiten“, so Susanne Helbach-Grosser.
Wohin mit dem Olivenkern, wohin mit dem Rührstick aus dem Campari, wenn wieder mal
kein Untertellerchen bereitgestellt wurde? Bevor es zu Verzweiflungstaten kommt, einfach um das Fehlende bitten.
Und wenn am Buffet die Soße auf das Sakko des Vordermannes tropft? Schadensbegrenzung durch Herbeiwinken der Servicekraft ist angesagt. Bieten Sie die Reinigung an, eventuell überreichen Sie Ihre Visitenkarte.
Wein oder …
Manchmal scheuen ältere Kellner – immer noch – davor zurück, einer Frau (als Zahlende) die Weinkarte und den Probierschluck zu geben, sobald Männer mit am Tisch sitzen. Hier hilft nur freundliche, aber bestimmte Beharrlichkeit.
Wenn das Budget mal keinen teuren Wein erlaubt, kann man in guten Restaurants auch nach dem Hauswein fragen. Ansonsten bei der Weinbestellung den ungefähren Betrag nennen, den Sie ausgeben möchten, das zeugt von Selbstbewusstsein.
Der Service möchte die benutzten Gläser abräumen. Sie ziehen es vor, beim vorigen Getränk zu bleiben oder es noch auszutrinken. Jetzt keine Hektik, schnelles Hinunterkippen ist unfein.
Wie reagiere ich, wenn mir bei einer Einladung der angebotene Wein nicht schmeckt oder ich lieber ein Bier möchte? Bei lockeren Einladungen ist das einfach – man wendet sich an den Gastgeber.
„Bei offiziellen, eleganten Einladungen plädiere ich dafür, notfalls mit Wasser vorlieb zu nehmen“, weiß die Knigge-Expertin.
Seafood und Störrisches
Schwierige Gerichte bei Geschäftsessen in unbekannten Restaurants haben ihre Tücken, deshalb sollte etwas Einfacheres bestellt werden, um die Konzentration auf das Gespräch zu erleichtern.
Im Zweifel fragen Sie das Service-Personal nach der richtigen Handhabung. Beim Nachbarn zu spicken bringt oft nicht den gewünschten Erfolg.
Das Gemüse zum Fisch, z. B. Fenchel, ist oft so al dente, dass es schwerlich mit dem Fischmesser zu bewältigen ist – in diesem Fall muss ein ordentliches Messer her.
Gräte verschluckt? Nies-, Husten-, Lachanfall? Mund verbrannt? Dies sind die echten Herausforderungen an der Tafel. Wer es noch in den Waschraum schafft, ist gut dran. Ansonsten heißt die Parole Schadensbekämpfung – Etikette hin oder her.
Trink- und Essgeräusche wie Schmatzen, Schlürfen oder Gurgeln, lautes Hantieren mit dem Besteck sollten vermieden werden. Als besonders unangebracht gilt Aufstoßen. Schluckauf wird ebenfalls als störend empfunden.
Ganz schlimm
Und nun zu den ganz harten Sachen! Das Essen ist mies. Der Gast geht, ohne zu bezahlen. Es wird ja nicht soweit kommen, dass jemand vom Wirt körperlich attackiert wird, weil dieser ihn am Verlassen des Restaurants hindern will. Notwehrrecht kann der Gast im Zweifel aber nicht geltend machen.
Wer zweimal die Rechnung verlangt hat und zudem darauf hinweist, dass er das Lokal in sieben Minuten verlassen wird, drückt der Servicekraft seine Visitenkarte in die Hand mit der Bitte, die Rechnung nach Hause zu schicken.
Rein rechtlich können in solch einem Fall 20 % abgezogen werden.
Text: GuR-Redaktion
Fotos: BL-Archiv-Bild, Tafelstern, Ebners Waldhof, MEV Verlag, A. Heinrichsdobler, GuR-Archiv