Am 27. März feierte er seinen 91. Geburtstag und steht noch immer selbst am Herd: der Grandseigneur der Sterneküche Michel Guérard. In seinem traumhaften Anwesen Les Prés d’Eugénie hält er seit mehr als 40 Jahren die begehrten drei Sterne des Guide Michelin.
Unzählige Erfolge und Auszeichnungen hat er errungen und war neben Paul Bocuse, Christian Millau und Henri Gault maßgeblich an der Entwicklung der Nouvelle Cuisine beteiligt.
In jungen Jahren wollte Michel Guérard erst Priester, dann Komödiant und später Arzt werden. Im Krieg lernte er Hunger und Furcht kennen und musste sehr jung eine Arbeit übernehmen.
Was ihn ungemein inspirierte, war die geniale Backkunst seiner Mutter und Großmutter, und so wurde er zunächst Konditorlehrling. Auch hier war er dann ein Großer. Bereits 1958 erhielt er als Chefkonditor im Pariser „Hotel de Crillon“ mit nur 25 Jahren den begehrten Titel „Meilleur Ouvrier de France“ (Bester Handwerker Frankreichs).
Schon bald hatte Michel Guérard auch als Koch in den angesehenen Pariser Restaurants den Ruf einer kulinarischen Koryphäe.
Mit der Eröffnung seines eigenen Restaurants „Le Pot-Au-Feu“ 1965 begann sein Aufbruch in die Welt der Michelin-Sterne. Sein Restaurant wurde zu einem der Hotspots der Pariser Gastronomieszene.
Zu Beginn seiner Karriere versorgte er das russische Cabaret der französischen Sängerin Regine auf der Champs Elysée mit der Kulinarik aus seinem Restaurant.
Dort begegnete er seiner zukünftigen Frau Christine, die bald eine wichtige Rolle in seinem Leben einnehmen sollte. Sie schreibt mit ihm seine Bücher, hilft ihm beim Abschmecken neuer Gerichte und dekoriert das Anwesen mit viel Geschick.
Leidenschaft und Liebe
1974 verlässt er Paris und folgt der Liebe seines Lebens, Christine, in das kleine 500-Seelen-Dorf „Eugenie-les-Bains“, im Südwesten Frankreichs, das dato nur durch seinen unblutigen Stierkampf und eine kleine Therme bekannt war.
Als die Gemeinde 1861 gegründet wurde, war die Patin keine Geringere als die Kaiserin Eugénie de Montijo, Gattin des Kaisers Napoleon III.
Hier erschuf der in Paris bereits seit 1971 mit zwei Sternen dekorierte Michel Guérard in einem schlossartigen Anwesen auf 12 Hektar ein Paradies.
Im Laufe der Zeit erlangte es weltweit Berühmtheit.war vor Ort und erfuhr persönlich von Michel Guérard seine Philosopie und Geschichten aus seinem reichhaltigen Leben: „Was Sie hier sehen, ist die Geschichte von 40 Jahren Leben zu zweit mit Christine“, eröffnet er das Gespräch.
Denn hinter jedem großen Mann stehe die richtige Frau, behauptete Talleyrand. Wie könnte man diesen Satz nicht zitieren, wenn man an Christine Guérard denkt, die leider 2017 verstorben ist. Für viele ist Michel Guérard ein Genie, doch ohne das Talent von Christine, ihrem Alter Ego, der Gefährtin, der Muse, wäre nichts möglich gewesen.
Das Chateau „Les Prés d’Eugénie“ umfasst nebst Gourmettempel 25 Suiten und Zimmer, ein Spa mit eigenen Thermalquellen, eine Dependance an der 1,5 Std. entfernten Atlantikküste sowie ein Kochinstitut.
Weitere Villen sowie ein Gesundheitsinstitut befinden sich im Schlosspark. Das familiäre Luxushideaway ist Mitglied bei „Relais Chateaux“.
Zu den Mahlzeiten dann… Haute Cuisine vom Feinsten in drei Restaurants, verteilt in der Blütenpracht des wunderschön gepflegten Anwesens, inmitten von Palmen und Skulpturen.
Seit 1976 bekommt „Les Prés d’Eugénie“ Jahr für Jahr drei Sterne – bis heute.
Große leichte Küche
Michel Guérards Leidenschaft war immer schon die Verbindung zwischen gesundem und delikatem Essen.
So erfand er 1975 die mehrfach ausgezeichnete „Grande Cousine Minceur®“. Sein Motto: gesundes Abnehmen mit Genuss.
Die Gäste genießen auf Wunsch Drei-Gänge-Menüs zwischen 400 und 600 Kalorien.
Um eine optimale Effizienz zu erreichen, werden die Portionen auf das individuelle Gewicht und den Stoffwechsel des Gastes angepasst.
So war es dann eine logische Schlussfolgerung, dass der Ausnahmekoch ein medizinisches Zentrum mit ärztlicher Betreuung auf seinem Anwesen errichtete. „Die Zusammenhänge zwischen Küche und Ernährung haben mich immer interessiert“, sagt er.
2012 hat er dann der damaligen Gesundheitsministerin Marisol Touraine sein Konzept der Gesundheitsküche vorgeschlagen. „Die Ministerin half mir und organisierte eine Zusammenkunft von Medizinern und Professoren, um Zusammenhänge zwischen Ernährung, Fettsucht, Diabetes und Herzkreislauferkrankungen auszuarbeiten.
„Ich als kleiner Koch unter den großen bekannten Medizinern – das war nicht einfach für mich“, erinnert er sich. „Erst als denen klar wurde, das Lebensmitteltheorie und Kochpraxis voneinander abweichen, konnten wir anfangen wirklich gemeinsam zu arbeiten.“
Auch in der Lebensmittelentwicklung habe er sehr viel über Ernährung gelernt, mit Professoren der Medizin zusammengearbeitet und nie aufgehört sich über die Entwicklung der Ernährung zu informieren.
Immer wieder kommen Anfragen aus aller Welt. Vor kurzem waren Köche aus Guérards Team auf Bitten des Sultans von Oman in Dubai und führten dort die Köche eines Krankenhauses in die „Grande Cuisine Minceur“ ein.
Sein Wissen weiterzugeben ist eine Leidenschaft Michel Guérards und so finden in seinem Kochinstitut regelmäßig Kurse zur „Gesundheitsküche“, für die „Große Karte“ und die „regionale Küche“ statt.
Küchenchefs der europäischen Regierungen und Königshäuser besuchten ihn, darunter der Koch von „Madame Merkel“, von Königin Elisabeth, des französischen und italienischen Präsidenten sowie der Küchenchef vom Königshaus in Spanien. Sie kamen alle, um des Meisters Gesundheitsküche zu erlernen.
Wellness und Wein
Gemäß dem Grundgedanken des gesundheitsfördernden Urlaubs ohne Verzicht inspirierten die sich auf dem Gelände befindenden heißen Thermalquellen Michel Guérard dazu in einem alten Bauernhof inmitten des Gartens eine 1000-m²-Wellness-Oase entstehen zu lassen.
„Ich wollte ein Thermalbad gründen. Eines Abends goss ich das Thermalwasser in einen Kochtopf und es entstand ein Milchbad-Aufguss. Ich fragte mich wie das Gemisch mit Heilerde zu verbinden sei. Später, als ich mit den Entwicklern von Nestlé zusammenarbeitete, probierten wir es zum Spaß aus. So entstand unsere heutige Schlammaske – in der Küche“, erinnert er sich.
Das Wasser ist reich an Schwefel, Kalzium und thermischen Plankton, deren heilende Kräfte besonders gut für Haut, Knochen und Muskeln sind. Alle Behandlungen gehen auf die keltische Spa-Kultur zurück.
Für eine andere Kreation inspirierte Michel Guérards ein Freund in Paris, der gleichzeitig sein Kunde und ein bedeutender Geschäftsmann war.
„Er hatte für seine Geliebte einen Friseursalon eingerichtet, deren Kunden mit einem Rolls Royce abgeholt wurden und bat mich, einen Snack für den Salon zu erfinden. Ich habe etwas mit wenig Kalorien und dem Namen ‚La Linie‘ kreiert. Als ich hierherkam, gab es bereits eine Therme für Rheuma. So entwickelte ich ‚La Linie‘ hierfür weiter.“
Ab 1985 hat Michel Guérards selbst Trauben angebaut. Einige gute Freunde rieten ihm damals dazu, eine Ausbildung zu machen. So ging er sieben Monate lang zweimal wöchentlich nach Bordeaux und besuchte dort Kurse am ornologischen Institut.
„Heute produziere ich auf meinem Weingut jedes Jahr neue Weine“, sagt die Kochikone. Und er verrät uns auch sein Motto: „Es ist nie zu spät für einen Traum“.
Bei unserem Besuch verriet er uns auch drei Rezepte für unsere Leser: Ravioli in Morchelsauce, ein Scampi Carpaccio, und das köstliche Gemüseallerlei mit Wolfsbarsch. Wollen Sie sich daran versuchen?
Text: Marion Büstorf
Fotos: © Les Pres d‘Eugenie