Was erwartet den Reisenden in einem Land, das so unendlich weit entfernt erscheint, von dem wir so wenig wissen? Der Mythos Kasachstans erzählt von Nomaden, erhabenen, heiligen Bergen, und in der neueren Zeit, spätestens seit James Bond, von Heizöl, Gas und Steppen. Es ist ein Land der Gegensätze, sowie beeindruckender Architektur von Norman Forster in Astana und Almaty. Es war ein Erlebnis ganz eigener Art.
Armut, Würde, menschliche Wärme, Reichtum, Offenheit, Fortschritt und die Akzeptanz, jeden so zu achten, wie er ist.
“Wer nach Kasachstan fährt sollte wissen, dass er als ein anderer Mensch zurückkehrt. Er hat dann in sich die grenzenlose Weite der Steppe, die majestätische Stille der Gebirge, den unbekümmerten Lärm der Städte, den an Pferdegetrappel erinnernden Klang der Dombra.
Er hat dann vielleicht eine Sehnsucht in sich, die er vorher nicht kannte. Wer dieses Sehnsuchtsrisiko eingehen will, sollte nicht warten. Das Unbekannte entdecken, kann man nur selbst”, beschreibt Dagmar Schreiber, eine Kasachstan-Expertin, die Begegnung mit diesem Land.
120 Nationalitäten
Kasachstan hat eine reiche Geschichte und eine faszinierend vielfältige Landschaft. Es grenzt an Russland, Usbekistan, China, Kirgistan und Turkmenistan.
Als das neuntgrößte Land der Erde ist es so groß, dass ganz Westeuropa darin Platz findet. Ein Land mit so vielen Gegensätzen zwischen Arm und Reich, zwischen Wüsten, kargen Steppen und faszinierenden Landschaften.
Durch die vielen Kriege und Völkerwanderungen der letzten Jahrtausende leben hier über 120 Nationalitäten friedlich vereint. Die Kasachen sind nomadischen Ursprungs, würdevolle Menschen, tolerant, offenherzig und großartige Gastgeber.
Hauptstadt Astana
Astana, eigentlich übersetzt die neue Hauptstadt, liegt in der Mitte des Landes, im Herzen von Kasachstan. In nur wenigen Jahren entstand hier ein kleines Mini-Dubai mitten in der Steppe. Seit 2019 heißt die Hauptstadt offiziell Nursultan. Für die Umbenennung ließ der Nachfolger von Präsident Nursultan Nasarbajew sogar die Verfassung ändern.
Es wurden keine Kosten gescheut und die berühmtesten Architekten der Welt engagiert, die beeindruckende Gebäude errichteten, wie die Pyramide von Norman Foster. Der wunderbar filigran gearbeitete Aussichtsturm “Baum des Lebens” entstand nach einer Vorgabe des Präsidenten Nursultan Nasarbajew.
Eine weitläufige Architektur mit wunderschönen Hochhäusern und einem liebenswerten, freundlichen Städtebild.
Nur 200 km nördlich liegt der berühmte Kurort Borovoye, der mit atemberaubenden stillen Seen und bizarren Felsformationen den Kasachen aus der näheren und weiteren Umgebung als Ausflugsort dient.
Die Altai-Region
Im Osten beeindruckt das Altai Gebirgsmassiv durch eine endlose unberührte Taiga-Landschaft. Die Altai Region ist auch die Heimat des vom Aussterben bedrohten
Nationaltiers von Kasachstan, dem Schneeleoparden.
Wanderfreunden ist der Ausflug zum “heiligen Berg Belucha” (4.506 m) nahe der Grenze zu Russland zu empfehlen.
Im Süden findet man entlang der Seidenstraße immere wieder gut erhaltene Moscheen. Die berühmte Grabmoschee für Arystan-Bab, einem hochverehrten islamischen Mystiker, ist Pilgerstätte und steht unter dem Schutz der UNESCO.
Farbenfrohe Märkte
Es gibt viele farbenfrohe Märkte im Süden, auf denen man endlos stöbern, und schmackhafte Früchte kaufen kann.
Hier wachsen Wassermelonen, Pfirsiche, Weintrauben, Kartoffeln, Reis, Mais, Tabak, Getreide und Baumwolle. Es ist eine einfache Gegend.
Die Menschen haben noch keine Ausbildung in der Gastronomie, bemühen sich aber um mich redlich. Sie machen rührend das nach, was sie im Fernsehen beobachten.
Denn der gastfreundliche Nomade gibt das Beste, was er hat. So kann es durchaus sein, dass der Gast ein anderes Essen erhält, als das, was er bestellt hat.
Warum? Wenn der Wirt seiner Meinung nach etwas Besseres zu bieten hat, dann serviert er das Bessere mit Freuden.
Die Gegend um die Städte Shymkent und Taraz ist die heißeste Region Kasachstans.
Während in Shymkent das Nachtleben tobt und die Straßencafes und Schaschlikbratereien rund um die Uhr geöffnet haben, begegne ich in Taraz an der Seidenstraße plötzlich einer ganz besonderen, unerwarteten Überraschung: dem Restaurant „Bobyp“.
Die Außenanlage ist ein einziges Blütenmeer aus exotischen Blumen und Orchideen, mit kleinen Pavillionbauten. Fantastisch – innen ganz in champagnerfarben und Goldtönen gehalten. Hier speisen, Botschafter, Politiker und Leute, die sich etwas Besonderes gönnen wollen.
Ein großer Kontrast für meine seit einiger Zeit nur an Märkte, Wüste, Steppe und Straßencafes gewöhnten Augen.
Stadt der Äpfel
Etwas weiter östlich liegt die ehemalige Hauptstadt Almaty. Übersetzt: Apfelstadt. Den Namen verdankt sie den unzähligen im Umkreis wachsenden wilden und gezüchteten Apfelbäumen.
Ein lebendiges Städtebild erwartet den Besucher. Wolkenkratzer mit russischem und asiatischem Einschlag, wechseln mit schönen alten Gebäuden.
Beeindruckend sind die bis zu 5.000 m hohen schneebedeckten Berge. Sie schmücken Almaty im Süden wie eine Krone – selbst bei sommerlichen 33°C.
Es empfiehlt sich das Zentrale Historische Museum zu besuchen. Sowie den beliebten Grünen Markt und den Park der 28 Panfilov-Gardesoldaten mit der berühmten Holzkathedrale des Petersburger Baumeisters Zenkov. Diese gehört zu den sieben Wundern von Kasachstan.
Am Abend sorgen zahlreiche Theater, Konzerthäuser, Kinos und unzählige Bars und Restaurants in der 1,5 Millionen Einwohner zählenden Metropole für Abwechslung.
In einer Ausdehnung von 120 km ist die Stadt hufeisenförmig vom Ile-Alatau-Nationalpark umgeben – das verführt zu zahlreichen Tagesausflügen in die bergige Umgebung.
Jurten am Almaty-See
Ein ganz besonderer Ausflug führt mich mit einem Kleinbus über eine abenteuerliche, unbefestigte Straße auf 2.500 m hoch zum großen Almaty-See. Dies ist ein einzigartiges Naturschauspiel.
Es herrscht eine unglaublich tiefe und friedliche Stille. Und andächtig bewundere ich das sagenhaft türkisfarbene Wasser, das in allen Farben schillert und die dahinter liegende Berglandschaft.
Mitten in der Landschaft rund um Almaty findet man vereinzelt private Jurten. Jene runden Zelte, die über Jahrtausende hinweg die Wohnstätte der Nomaden waren.
Heute sind sie einfach in die schöne Landschaft und unberührte Natur gebaut, um den Städtern und der arbeitenden Bevölkerung als Zufluchts- und Erholungsort zu dienen.
Beliebt sind auch Jurten-Restaurants, in denen man mit der Familie und Freunden sich an Schaschlik und anderen kasachischen Speisen labt. Dabei feiert man fröhlich und erzählt sich traditionsgemäß Geschichten und vom Alltagseinerlei.
Text: Marion Büstorf
Fotos: Marion Büstorf