Die Basis aller guten Parfumes ist Rosenöl. Geerntet und hergestellt wird der sündhaft teure Rohstoff aus der Damaszener Rose in Isparta, dem Zentrum des Rosenanbaus in der Türkei. Unser Highlight: wir durften mit türkischen Freunden eine Rosenernte erleben.
Drunten am Meer, an den fast menschenleeren Stränden von Antalya, ist es kurz vor Sonnenaufgang schon angenehm warm. Entspannt könnten wir uns noch im Hotelbett räkeln – stattdessen frösteln wir weit oben auf der Hochebene von Isparta, reiben uns müde die Augen und fragen uns, ob wir wirklich jetzt, um 5 Uhr in der Frühe, mit ein paar hundert türkischen Bauern Rosen pflücken müssen.
Wir müssen. Die Rosen, denen wir an die Blüten wollen, sind schließlich keine zierlichen Einzelpflänzchen im Hausgarten, sondern wachsen zu Hunderttausenden auf schier endlosen Feldern.
Es muss schnell gehen
Und blitzschnell gehen muss es bei der Ernte auch: Denn „rosa damascena“, wie das Objekt unserer Begierde mit botanischem Namen heißt, will lange vor der heißen Mittagszeit gepflückt und in Sicherheit gebracht sein. Schaffen wir es nicht, verfliegt der Duft der Blätter, war unsere und die Arbeit vieler Bauernfamilien weitgehend umsonst.
Die Arbeit der Pflücker ist hart und schlecht bezahlt, die Weiterverarbeitung dagegen höchst lohnend und der Verkauf des Endprodukts äußerst lukrativ.
Denn aus den Blättern der Damaszenerrose, die 1800 Meter über dem Meer in den kühlen Hochtälern des türkischen Taurus-Gebirges gedeiht, wird Rosenöl gewonnen, der wichtigste und sündhaft teure Grundstoff exclusiver Parfums. Bis zu 5.000 Euro kostet ein Liter des begehrten Produkts. Um den herauszufiltern sind zwischen drei und vier Tonnen Rosenblätter nötig.
Begehrter Rohstoff
Ob Chanel, Yves St. Laurant, Guerlain oder Shizeido – ohne “rosa damascena”, die einzige Rose, aus der sich wirklich gutes ätherisches Öl gewinnen lässt, kommt kein Parfumeur aus. Die Blütenblätter aus den türkischen Bergen sind der Stoff, aus dem die Düfte sind.
Düfte, mit denen die Kosmetikindustrie glänzende Geschäfte macht: Das weltweite Marktvolumen für Parfum wird auf gut 35 Milliarden Euro geschätzt, allein in Deutschland werden mit diversen Duftwässerchen Jahr für Jahr rund 1,6 Milliarden Euro umgesetzt. Zwei Drittel von Frauen, der Rest von Männern.
Bei den 8.000 Bauern, die auf der Hochebene der Provinz Isparta ihren Lebensunterhalt mit Rosen verdienen, kommt der geringste Teil dieser Milliarden an.
Arbeit machen die Rosen das ganze Jahr, die meiste Mühe mit Pflege und Pflücken haben die Frauen, deren Vornamen in Isparta überdurchschnittlich oft mit dem Hauptprodukt der Region, der Gül (türkisch: Rose) zu tun hat.
Gülsah (Rosenkönigin), Gülay (Mondrose) oder Gülcin (das Mädchen, das Rosen pflückt) nennen Eltern gern ihren weiblichen Nachwuchs, und die Mütter nehmen sie schon als Babys mit auf die Felder.
Rosa Damascena
Dort lernen sie früh alles, was eine Rosenbäuerin über “rosa damascena” wissen muss: Dass die Rose beim Pflanzen warme Erde braucht beispielsweise, und dass man die richtige Temperatur am besten fühlen kann, wenn man sich mit gerafftem Rock ganz knapp über den Boden hockt. Dass die Ernte nur an wenigen Tagen im Mai und Juni in Frage kommt, und spätestens in der Morgendämmerung beginnen muss.
Vor Sonnenaufgang nämlich hat die Damaszenerrose zum Schutz vor der nächtlichen Kälte besonders viel Öl produziert, je später es wird, desto mehr verfliegt der begehrte Stoff.
Bis längstens zehn Uhr, wenn es auch hoch droben in den Bergen warm wird, muss die Ernte eingefahren sein, sonst ist es mit der Qualität des Öls nicht mehr weit her.
Die Blätter taugen dann vielleicht noch zur Herstellung von Rosenwasser – auch das duftet gut, ist aber nur ein billiges Nebenprodukt, das es für ein paar Lira an jeder Straßenecke als Eau de Cologne oder Haarwasser zu kaufen gibt.
Geschickte Pflücker können an einem Tag vielleicht 30 Kilo Rosenblätter ernten, also den hundertsten Teil der Menge, die für einen Liter Rosenöl gebraucht wird. Reich ist damit noch keiner der Bauern geworden, die ihre randvoll gefüllten Körbe mit dem Traktor in die Fabrik bringen.
Die Destillation ist relativ einfach: In großen Kesseln wird Wasser zum Kochen gebracht, der heiße Dampf öffnet die Öldrüsen der Blätter und trägt das Öl nach oben. Von dort geht‘s in die Auffangbehälter und schließlich in die Weiterverarbeitung.
Nicht alles, was aus den Destillationskesseln kommt, wird ins Ausland verkauft.
Kleine Kosmetikfirmen vor Ort produzieren aus den 3.000 Tonnen Rosen, die sie jedes Jahr verarbeiten, für den heimischen Markt vergleichsweise preisgünstige, aber rundum empfehlenswerte Cremes und Haartinkturen.
Natürlich auch das unentbehrliche Rosenwasser, das jeder Gast in türkischen Familien, in Restaurants oder beim Teppichhändler zur Erfrischung bekommt.
Essen kann man die Rosen übrigens auch. Lokkum, die herrlich süßen, ein wenig an Kaugummi erinnernden türkischen Dickmacher-Stückchen, sind daraus gemacht. Sogar Rosenmarmelade mit extra viel Honig drin gibt es überall zu kaufen.
Uns ist, wir gestehen es hier unseren türkischen Freunden, ein feiner Rosenduft doch deutlich lieber.
Hinweise für eine Reise nach Isparta
Reisezeit: Rosenernte ist zwischen Mitte Mai und Mitte Juni.
Anmeldung: Wer dabei sein will, muss sich durchfragen, weil es kaum organisierte Ausflüge gibt. Hilfreich ist es, sich nähere Informationen an der Rezeption des Urlaubshotels zu holen oder sich direkt an einen Rosenöl-Hersteller zu wenden, z.B. an www.gulbirlik.com . Führungen durch die Fabriken gibt es während der Erntezeit täglich.
Auskünfte und Ausflugstipps: Ein klassisches Tourismusbüro hat Isparta nicht. Nützliche Infos über Hotels, Restaurants und Sehenswürdigkeiten gibt es jedoch bei www.tripadvisor.de (Suchen Sie dort nach Isparta). Günstige Urlaubsangebote gibts hier. Wir raten zu einem mehrtägigen Ausflug in die Region, in der auch der traumhafte Egirdir-See, die Ausgrabungsstätten von Sagalassos und die Dreitausender um das Ski- und Bergwandergebiet Davras locken.
Anreise: Wer in Antalya Urlaub macht, erreicht Isparta in zwei Autostunden. Da Busfahrten ohne türkische Sprachkenntnisse kompliziert sein können, empfiehlt sich ein Leihwagen. Gut und günstig sind die Fahrzeuge bei www.denizhanrentacar.com der Mietverträge mit Vollkasko und in deutscher Sprache schließt.
Wechselkurs: Der Euro hat in der Türkei eine überdurchschnittlich hohe Kaufkraft. 1 Euro entspricht zurzeit gut 16 TL (Türkische Lira).
Rosenwasser selbst machen
Parfümtaugliches Rosenöl selbst zu machen, ist schwierig; doch eine gut duftende Mischung aus Öl und Rosenwasser lässt sich auch daheim auf dem Herd herstellen.
Gebraucht werden die gewaschenen, gut abgetropften Blütenblätter von 6-8 Rosen, die man über Nacht auf einem Handtuch antrocknen lässt. Dazu kommen 500 Milliliter Sesam-, Mandel- oder Sonnenblumenöl und ein großes Weckglas.
Wenn es schnell gehen soll, gibt man das Öl und die Blüten in das Glas, stellt dieses in einen mit heißem Wasser gefüllten Topf (also in ein Wasserbad) und lässt alles auf niedrigster Stufe zwei Stunden durchziehen (nicht kochen!). Alle halbe Stunde mit einem Holzlöffel durchrühren und nachsehen, ob noch genug Wasser im Topf ist. Das Öl durch ein Geschirrtuch abseihen und in dunkle Fläschchen füllen.
Wenn man länger Zeit hat, ist diese Methode empfehlenswert: Das Öl in einen Topf schütten und leicht erwärmen. Die Blüten in das Weckglas geben und mit dem warmen Öl übergießen. Das Gemisch mit einem Holzlöffel umrühren und immer darauf achten, dass alle Blüten mit Öl bedeckt sind. Das Glas verschließen und zwei bis vier Wochen an einen stets warmen Platz stellen. Anschließend abseihen und abfüllen.
Text und Fotos: © Joachim Hauck