Einer der spektakulärsten Abschnitte der legendären Seidenstraße führt durch Usbekistan. Das zentralasiatische Land will nun wirtschaftlich stärker von seiner reichen Geschichte profitieren und öffnet sich für Touristen aus dem Westen. Noch ist es ein Geheimtipp für Entdecker. Hier unser Reisebericht.
Hier also soll die schöne Sheherazade gelebt und dem König 1001 Nächte lang Geschichten erzählt haben. Irgendwo in einem der prächtigen Paläste von Samarkand, das zu den einst wohlhabendsten Städten an der sagenumwobenen Seidenstraße zählte.
Zu Sheherazade und ihrem Herrn führt keine Spur mehr, doch Reichtum, Glanz und Zauber sind in der usbekischen Stadt bis heute gegenwärtig.
Wer ihn sehen und spüren will, sollte damit auf dem Registan-Platz (Bild oben) im alten Stadtzentrum beginnen. Aufwendig restauriert sind die drei Bauwerke, die den Platz flankieren und Besucher mit blauen Kuppeln und verschwenderischer Ornamentik faszinieren.
Timur, der Eroberer, ließ hier einen Basar anlegen, an dem die großen Handelsstraßen seines Reichs zusammentrafen.
Sein Enkel Ulug Bek begann mit dem Bau der Medresen, die heute den Platz beherrschen – muslimische Universitäten, in denen nicht nur der Koran, sondern alle damals wichtigen Wissenschaften gelehrt wurden.
Nirgendwo ist der Mythos Seidenstraße und die Geschichte usbekisch-mongolischer Herrscher greifbarer als hier.
Timurs Architekten bauten Samarkand zur schönsten Stadt Asiens aus. „Wer an unserer Macht zweifelt, mag sich unsere Bauwerke ansehen“, soll er an die Bibi-Chanim Moschee geschrieben haben.
Die war mit Platz für 10.000 Gläubige die damals größte Moschee der Welt. Ein Bauwerk, für das 95 Elefanten und ungezählte Büffelkarren Marmor aus Indien herbeischleppten. Nicht minder prächtig gerieten die Nekropole Shah-e-Sende, in der Samarkands Adel und wichtige Imame bestattet sind – sowie Timurs Mausoleum, reich an Blattgold und kunstvollen Fayencen.
Mythos Seidenstraße
Ohne die Seidenstraße wäre all das nicht machbar gewesen. Fast 10.000 km lang war das Netz der Handelswege zwischen China und Europa. Samarkand oder Buchara, wo sich die Warenströme aus Nord und Süd, Ost und West trafen, wurden sagenhaft reich.
Keine Karawane, die in Xi’an mit Seide, Porzellan, Gewürzen und Pelzen loszog, kam in einem Marsch bis Rom. Die meisten reisten in Etappen, verkauften Waren auf dem Weg.
Reiseführer Azamat Azizov kennt interessante Details: „Bis ein Seidenstoff Europa erreichte, vergingen sechs bis acht Jahre. Was in China in heutiger Währung 1 Euro kostete, war am Ende in Rom 200 Euro wert.“
Bis zu 1000 Kamele hatte eine Karawane, 15 km pro Tag schaffte sie maximal. -30°C konnte es im Winter, bis zu 45°C heiß im Sommer werden. Überall drohten Überfälle von Wegelagerern und Räubern. In Sicherheit waren Menschen, Tiere und Waren erst in den Karawansereien, den Raststationen an der Seidenstraße.
Damit die Kaufleute auch bei Nacht den Weg in die vielen Karawansereien von Buchara fanden, wurde ein 47 m hohes Minarett mit Feuerschalen bedeckt: als Leuchtturm für „Wüstenschiffe“.
Unter den mächtigen Kuppeln der Basare, die auch die Reisenden unserer Tage zum Bummeln und Shoppen einladen, wurde verkauft und gekauft.
Zerstört wurde Buchara mehrmals, erst von Dschingis Khan im 13. Jahrhundert, 1920 von den Bolschewiki.
Usbekistan wurde zum Sowjetstaat, der vor allem Baumwolle anbaute. Den Sowjets verdankt das Land Monokulturen und versiegende Seen und Flüsse, aber auch den Anschluss an die Moderne: Flughäfen und Eisenbahnen, die auf der Schnellstrecke von Chiwa in die Hauptstadt Taschkent bis zu 240 km/h erreichen.
Es waren sowjetische Archäologen, die ab den 1950er Jahren aus den Ruinen Usbekistans in aufwendiger Arbeit wieder wahre Schmuckstücke machten.
Heute ist ein Spaziergang mit Reiseführer Azamat durch die kleine Stadt Chiwa, dem Ausgangspunkt vieler Usbekistan-Reisen, wie ein Besuch im Museum.
Von der Yuma-Moschee mit ihren 213 hölzernen Säulen führt der Weg zur alten Koranschule – heute ein schmuckes Hotel – zur Zitadelle des Khans.
Für Touristen gibt‘s dort Shows mit Szenen aus dem Leben am Hof der alten Herrscher.
Heute sind Reisen entlang der Seidenstraße relativ komfortabel. Landestypische Gästehäuser, Restaurants und Boutique-Hotels verdrängen die Hotel-Plattenbauten der Sowjetzeit.
Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist dank des günstigen Wechselkurses zum Euro sehr gut. Trotzdem zählt das Land bisher nur rund 300.000 ausländische Besucher pro Jahr, darunter 18.000 Deutsche.
Präsident Shavkat Mirziyoyev, in den seine Landsleute auch in puncto Demokratie große Hoffnungen setzen, will den Tourismus vorantreiben. 2019 hat er die Visapflicht für EU-Bürger abgeschafft und großzügige Steuererleichterungen für in- und ausländische Investitionen in die touristische Infrastruktur verkündet.
Reiseführer Azamat hat einen großen Traum: „Wenn sich Touristen fragen, wo sie in Urlaub waren, müssen die einen sagen: Wieder in Usbekistan. Die anderen antworten: Da waren wir auch schon.“
Text: Joachim Hauck
Fotos: Joachim Hauck