Was hat es mit der Pfanne und dem Deckel und den köstlichen Aromen daraus auf sich? Unser Autor Jochen Müssig begab sich auf die Spuren von Paella und Tapas ins Hinterland der Costa Blanca.
Durch die Wedel der hochgewachsenen Palmen auf der Esplanada d‘Espanya von Alicante finden die herbstlichen Sonnenstrahlen ihren Weg auf das wellenartige Straßenmosaik, die Tische und Stühle der Cafés und Restaurants.
Ob Licht und Schatten den deutschen Urlauber irritieren? Er blickt immer wieder auf den Nachbartisch, wo in einer gusseisernen Pfanne safrangelber Reis, gebratene Gambas und wahrscheinlich auch eine unwiderstehlich aromatische Paella-Kruste die Gäste erfreut.
Immer wieder blättert der Mann in der Speisekarte hin und her. Dann ruft er den Kellner zu sich und fragt: „Haben Sie denn keine Paella?“ – und blickt auf den Nachbartisch.
Der Ober schmunzelt. „Oh doch! Auf dieser Seite finden Sie alle unsere Arroces. Sie müssen wissen: Wir in Alicante sagen nicht Paella. Wir sagen Arroces …“
Paella – Arroces
Merkwürdig: Die ganze Welt sagt Paella, nur dort, wo die Paella erfunden wurde, sagen sie Arroces, simpel übersetzt: Reisgerichte.
Einen spezifischen Geburtsort in der Region Valencia gibt es nicht dafür, aber während sie in Valencia ihre Paella Valenciana ganz streng nach Rezept kochen, gilt in Alicante und besonders im Hinterland der Costa Blanca Freestyle:
Die Zutaten ändern sich beinahe in jedem Dorf und Restaurant und die Köche nehmen schon auch mal zerstückelte Schweinrippchen oder Schnecken als Zutaten. Sie spielen mit den Rezepten. Und das machen sie gut.
„Paella“, erklärt der Kellner des „Don Pepe“, „heißt ja letztlich nur Pfanne“. So wurde aus dem lateinischen Patella für Pfanne der Name für das heutige spanische Nationalgericht. Dies gab es früher, gerade in der Region Valencia, nur sonntags, wenn sich die ganze Familie um die große gusseiserne Pfanne versammelte.
Es muss übrigens eine Gusseiserne sein, denn nur sie wird heiß genug. Der Mann bestellt aus den sieben zur Auswahl stehenden Arroces schließlich Arroz Marisco, also mit Meeresfrüchten. Und einen Cabernet dazu. Vielleicht hat er ja den netten Spruch an der Wand gelesen: weniger Internet, mehr Cabernet …
Die Etikette erlaubt zu Arroces oder Paella Bier oder Wein, ob blanco oder tinto, weiß oder rot, also auch einen Cabernet Sauvignon.
Im Mercado Central von Alicante, zehn Gehminuten von der Esplanada d’Espanya entfernt, bekommt man das Beste für die Pfanne: Krustentiere, Fisch, Fleisch, Kaninchen, Gemüse.
Alles ist frisch, in Corona-Zeiten aber Vakuum verpackt. So fehlt beim Einkauf leider so mancher Geruch.
Von der Valenciana zu vielen Varianten
Bei der Urform Valenciana gab man zum Reis, was man hatte: Gemüse, Huhn, Kaninchen. Die Variante mit Meeresfrüchten kam erst später.
Inzwischen gibt es sogar Paella mit Nudeln, die Fideua heißt. Mal was anderes zwar, aber durch die lange Kochzeit eher matschig und nichts für italophile Pasta-Freunde.
Also nimmt man den rundkörnigen Arroz Bomba. Dieser Reis bleibt bissfest, nimmt aber trotzdem viel Flüssigkeit und damit Geschmack auf: Natürlich kommt er aus der Region Valencia. Den Fond gibt’s auch zu kaufen, aber das wäre dann vergleichbar mit einem guten Braten, zu dem man eine „Knorr“-Päckchensauce reicht …
„Meinen Fond habe ich von meiner Mutter gelernt!“, sagt Salvador Sendra, Chefkoch im neu eröffneten Resort „La Nucia Palms“.
„Während Oma nur die Valenciana zubereitete, machte Mama schon ganz schön viel Sorten. Und ich noch mehr!“ Aber er gibt zu: „Mutters Arroz mit Schwein und Artischocken und ihre Fisch-Fideua im Sommer sind unschlagbar!“
Tapas – Leckere Deckelchen
La Nucia ist so ein Hinterland-Örtchen an der Costa Blanca, abseits von Valencia, Alicante und vor allem Benidorm, jenem Tourismus-Alptraum der 1970er Jahre, der einfach immer weiter boomt. Mit 300 Hochhäusern und bezogen auf die Einwohnerzahl hat Benidorm die größte Wolkenkratzerdichte der Welt.
Beim Turismo de interior, dem Tourismus abseits von Strand und Küste, ist alles kleiner, weniger voll, abwechslungsreicher. Da kann man Entdeckungen machen, eine Finca zum Beispiel oder ein schönes Resort mit Blick auf Meer und Berge.
Da ist man weg vom Trubel, aber trotzdem in 20 Minuten am Strand, in den Bergen oder bei Köchen wie Salvador Sendra, einem Meister der Tapas.
Womit nicht die Üblichen gemeint sind: Garnelen in Knoblauch und Hackfleischbällchen in Tomatensauce, Pimientos de Padrón oder Datteln im Speckmantel sind ihm zu normal, zu nah am Durchschnittsgeschmack …
„Tapas“, sagt der erst 33-jährige Salvador, „gab es ja schon im 14. Jahrhundert. Man trank Wein, weil es sauberer war als Wasser und schützte das Glas mit einem Deckel vor Staub und Fliegen. Später kamen dann Kleinigkeiten auf den Deckel …“.
Denn tapar heißt aus dem Spanischen übersetzt nichts anderes als abdecken. Eine Geburtsregion wie bei der Paella ist nicht überliefert. Aber überall werden die warmen Tapas heutzutage in Cazuelas serviert, damit sie in den Keramikschälchen nicht so schnell kalt werden.
Eine Tapas-Reise mit Koch Salvador im Hinterland von Benidorm ist auch eine Reise in die Karibik. „Ich habe dort gearbeitet, in Punta Cana und Varadero, und ich habe von dort so viele Ideen mitgenommen“, sagt er in seinem Restaurant „Santa Maria“, das zwischen „La Niña“, dem kleinen, und „La Pinta“, dem großen Pool im „La Nucia Palms“ liegt.
Es sind die Namen der drei Schiffe, mit denen Christoph Kolumbus glaubte, nach Asien aufzubrechen und mit denen er Amerika entdeckte. „Tapas sind für mich immer Entdeckungen“, meint Salvador, am besten in einer Runde mit Freunden, beim Plaudern, trinken und schlemmen.
Manche bestellen Palometa dazu, eine Mischung aus Anisschnaps und Eiswasser, manche Vermouth mit Olive, die meisten aber Wein. „Wichtig ist, verschiedene Geschmäcker harmonisch zusammen zu bringen“.
Und so mischt der Karibik erfahrene Koch, der im Costa-Blanca-Hinterland, in La Marina Alta, geboren wurde, Typisches aus seiner Region mit karibischen Leckereien. S
o trifft der Alicante-Salat mit getrocknetem Thunfisch auf Garnelen-Ceviche mit Banane oder die Teigtaschen mit Huhn und Paprika auf eine Schweinerippchen-Quesadilla. Ein Feuerwerk des Geschmacks!
Und der Koch sagt ganz lapidar: „Tapas kannst Du aus allem Essbaren machen. Die Kunst ist: Es muss zusammenpassen …“
Salvador zählt auf und kommt auf mehr als ein Dutzend Tapas, die es nur seiner Gegend gibt und von denen die meisten Deutschen noch nie etwas gehört haben.
Espencat und Pego
Oder kennt jemand Espencat? Da bringt man geschälte und gegrillte Auberginen und Paprika sowie Knoblauch und Petersilie zusammen mit Kabeljau. Oder Pego mit Schweinefleisch, Kichererbsen und Eier-Soufflé: „Mein Lieblingsschälchen. Aber Sie werden es nirgends bekommen. Nur in Pego, meinem Dorf und jetzt bei mir im ‚La Nucia Palms‘ …“, sagt Salvador.
Ein Ausflug an die Küste, ins nahe Bilderbuchdörfchen Altea, zeigt, dass Pego nur als Städtchen, nicht aber als Tapa bekannt ist.
Bei Espencat hebt der eine oder andere Kellner zwar wohlwollend die Augenbrauen, zuckt aber letztlich mit den Schultern: „Espencat kenne ich natürlich, nur woher kennt der Tourist das?“, denkt sich der Kellner wohl, um dann bedauernd zu antworten: „Das haben wir leider nicht!“
Es hätte ja vielleicht so sein können wie an der Esplanada d‘Espanya von Alicante: Man findet es auf der Karte nicht, weil es einen anderen Namen dafür gibt. Aber in Altea war auch an den Nachbartischen kein Espencat zu sehen …
Schade, aber die Sonnenstrahlen fanden wieder ihren Weg durch die Wedel der Palmen, diesmal auf den Dorfplatz.
Mehr über köstliche Tapas wie finden Sie in unserem Rezeptrchiv.
Zusatz-Infos zu unserer Reise
Unterkunft:
La Nucia, „La Nucia Palms“, nagelneues 5-Sterne-Resort im Hinterland von Benidorm mit Restaurants, Wellness und attraktiven Nebensaisonpreisen ab 150 Euro: www.barcelo.com.
Alicante, „Occidental“, kleines, zentral gelegenes 4-Sterne-Stadthotel ab 70 Euro: www.occidentalhotels.com.
Elche, „Jardín Milenio“, 3 Sterne, umgeben von Palmenparks, Pool, Restaurant, Doppelzimmer ab 65 Euro: www.occidentalhotels.com
Restaurants:
La Nucia, „Santa Maria“ mit fantastischen Tapas im „La Nucia Palms“ (siehe Unterkunft).
Alicante, „Don Pepe“ mit fünferlei Arroces, https://esopiniones.com.
Elche, „La Finca“, wo Sterneköchin Susi Diaz Kunstwerke auf die Teller zaubert und zwar zu bezahlbaren Preisen, Hauptgerichte 29 bis 36 Euro, https://esopiniones.com
Text: Jochen Müssig
Fotos: © Jochen Müssig und G&R-Redaktionsarchiv